Schön war’s, wieder unter Land zu sein! An der Außenküste ging eine mörderische Brandung, da möchte man wirklich nicht stranden, so wie es ja zahllosen Schiffen über die Jahrhunderte ergangen ist. Zielsicher liefen wir hingegen in die Bahía Anna Pink ein (wieder so ein schöner Name), den Eingang in eine Reihe von Sunden im Archipelago de los Chonos. Im Laufe des Vormittags beruhigte sich der Seegang, bald lag das Wasser wieder spiegelblank um uns, die Sonne wärmte vom blauen Himmel, T-Shirts und kurze Hose kamen an Deck zum Einsatz.
Grüne Bäume ziehen sich sanft die Berge hinauf im Archipelago de los Chonos
Vielleicht liegt es nur am Zufall des Wetters des heutigen Tages, aber alles wirkt hier milder als südlich vom Golfo de Penas: Die Luft wärmt angenehm, die Wälder ziehen sich bis in deutlich größere Höhen die Hügel hinauf, alles ist grün und mild. Aber im Wasser schwimmen viele Pinguine, und tief im Inland erstreckt sich eine der größten nicht-polaren Eiskappen der Erde. Vielleicht ist es wirklich nur das Wetter.
Lichtspiele auf dem Canal Chacabuco
Die abendlichen und nächtlichen Fahrten bei Mondschein und stillem Wasser sind sehr stimmungsvoll.
Galerie – Archipelago de los Chonos – 31. März 2018
Nach den schönen, sonnigen Touren auf der Jungfrauen-Insel haben wir noch einen weiteren Tag im Dauerregen abgewettert, während draußen auf offener See der Sturm tobte.
Bei dem Wetter war das Bordkino deutlich attraktiver als alle anderen Varianten.
Wind, Wellen und Albatrosse: Heinz steuert die Anne-Margaretha auf dem offenen Meer.
Gestern konnten wir dann wieder Segel setzen. Wir müssen diese Strecke auf offener See, über den Golfo de Penas und um die Peninsula de Ta Ito, endlich mal hinter uns bringen, immerhin haben wir noch 500 Meilen bis Puerto Montt vor uns und die verbleibende Zeit wird ja nicht länger.
Albatrosse beeindrucken mit ihrer enormen Flügelspannweite von mehr als drei Metern!
An der offenen See scheiden sich ja immer die Geister: die einen suchen Zuflucht in der Koje, die anderen erfreuen sich an Wind und Wellen. Da machten auch wir keine Ausnahme. Aber die Seeleute und Fotografen kamen auf ihre Kosten! Auf weiten Strecken 8 Knoten, Wind, Wellen und immer wieder wechselndes Licht und viele, viele Seevögel. Von den kleinen Walvögeln bis zu den größten Albatrossen (Wanderalbatros, Nördlicher und Südlicher Königsalbatros) und vieles dazwischen! So kann man den Karfreitag auch verbringen.
Galerie – Peninsula de Taitao – 30. März 2018
Wir haben den Golfo de Penas vor uns und damit eine Strecke, wo wir für etwa eineinhalb Tage den Schutz der Küstengewässer verlassen und auf hohe See müssen. Da ist es wichtig, wettermäßig den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Wir meinten, den jetzt zu haben, aber Wind und Seegang der letzten Nacht sogar in den Kanälen zwischen den Inseln und der neueste Wetterbericht sprechen eine andere und ziemlich deutliche Sprache.
Braut sich da was zusammen? Warten auf besseres Wetter auf der Isla Jungfrauen
Also bleibt nichts, als auf einen besseren Zeitpunkt für die Passage auf dem offenen Meer zu warten. Das ist zunächst auch sehr vorteilhaft (später werden wir die Zeit allerdings wieder aufholen müssen), denn hier gibt es die Isla Jungfrauen, die nicht nur durch ihren erstaunlichen Namen lockt (der ist nicht Programm, wie wir mittlerweile festgestellt haben) mit der wunderschönen Caleta Virgen. Und die hat sich als ein Wanderparadies entpuppt. Wenn man hier ein paar Meter des üblichen, dichten Uferwaldes überwunden hat, hat man schnell offenes Hügelland vor sich, schönstes Wandergelände mit vielen Aussichtspunkten und wirklich grandiosen Panoramen, kleinen und größeren Seen, windgepeitschten Bäumen und vielem, was man so entdecken kann. Wieder mal ein unglaublich schönes Flecken Erde! Wir sind nach der letzten Nacht zwar alle etwas müde, aber das ist angesichts der Schönheit der Landschaft und der schönen Touren schnell vergessen. Dazu kommt das hier vor Ort herrliche Wetter. Die Caleta ist so gut geschützt, dass man dort vom Wind fast nichts merkt (auf den Bergen kann man hingegen mitunter fast nicht stehen) und die Sonne bleibt uns über große Teile des Tages treu. Einmalig schön!
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Wie gesagt, zeitlich werden wir diesen ungeplanten Aufenthalt wieder aufholen müssen, die Tage gehen dahin. Aber wir hätten uns keinen besseren Ort aussuchen können, um abzuwettern, und wenn man sich die Fotos anschaut, wird man wohl kaum glauben, dass uns das „schlechte“ Wetter hier festhält.
Was das Foto nicht verrät: Auf den tollen Aussichtspunkten bläst es einen beinahe um.
Mit wunderschönen Touren und Sonne lässt sich das Warten gut aushalten.
Plötzlich war der Wind wieder im brauchbaren Rahmen und die Caleta Colibri ließ uns ziehen. Der Vorteil des sich ständig ändernden Wetters ist eben, dass es sich schnell wieder ändert.
Nach einer Nacht mit vielen Meilen erreichten wir frühmorgens Puerto Edén, das sich heute tatsächlich wie ein kleiner Garten Eden präsentierte, unter blauem Himmel mit Spiegelbildern auf dem Wasser. Das haben wir nicht oft gehabt in den letzten Tagen!
Etwas verfallen, aber doch malerisch: Puerto Edén
Puerto Edén ist wirklich ein Nestchen mit wenigen hundert Einwohnern, überwiegend Nachfahren eines indigenen Völkchens, das früher in der ganzen Region gelebt hat. Die übliche, tragische Geschichte aus kolonialem Völkermord und Krankheiten hat von diesem Volk nur noch einen kleinen, traurigen Rest übrig gelassen und von ihrer Kultur praktisch nichts mehr. Dafür gibt es Puerto Edén, das seine Existenz vor einigen Jahrzehnten als kleine Luftwaffenbasis begann und immer noch eine militärische Präsenz hat. Darüber hinaus hat es ziemlich schlichte und teilweise etwas verfallene, aber sehr malerische Hütten am Ufer, wo man prima spazieren und das an einem solchen Tag mediterran wirkende Klima auf sich wirken lassen kann. Leider hat mein Kolibri-Foto von gestern (oder war es schon vorgestern? Unglaublich, wie die Zeit hier vergeht) heute deutlich an Seltenheitswert verloren, da die hier in vielen Gebüschen unterwegs sind und die engagierten Fotografen kamen entsprechend zum Schuss.
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Es gibt sogar zwei kleine Lädchen, die allerdings beide jeweils in eine Besenkammer passen würden. Und Fischer, die direkt zum Schiff kommen und frischen Fisch anbieten. Sehr lecker!
Nachmittags geht es weiter durch die Kanäle nach Norden. Langsam müssen wir mal zusehen, dass wir weiter kommen. Das Wetter ist für den Moment perfekt, so schön war es noch selten.
Die Caleta Colibri ist wirklich kein Ort für längere Touren, der Urwald ist hier so unglaublich dicht, da kommt man wirklich nirgendwohin. Ich habe es probiert. Es geht nicht.
Aber es gibt mehrere schöne und interessante Plätzchen. An einer Stelle haben Menschen offensichtlich viel Zeit verbracht und von tausenden von Muscheln gelebt, die nun dort auf einem großen Haufen liegen. Wer und wann? Das wüsste man gerne.
Wo kommen die ganzen Muscheln her? Ungelöste Fragen in der Caleta Colibri
Man kann auf Bäume klettern und es sieht kaum anders aus, als wenn man unten steht. Auch die Bäume sind teilweise so dicht mit Moos und Ranken bewachsen, das es aussieht, als stünde man auf dem Boden.
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Und, ja, die Caleta Colibri hat gehalten, was ihr Name verspricht! Der harte Kern der Fotofreaks hat Geduld gezeigt, und die wurde belohnt. Green-backed firecrown (Sephanoides sephanoides) würde ich tippen, dem Buch „Birds of Chile“ zufolge.
Nomen est omen: Caleta Colibri
Jetzt müsste der Wind mal langsam nachlassen, damit wir weiterkommen nach Puerto Edén. Das ist unser nächstes Ziel und der erste Ort seit Puerto Williams, wo Menschen leben. Wir müssen einkaufen, Schokolade und Bier gehen bedrohlich zur Neige.
Nach einem richtigen Palmsonntagsfrühstück (Rührei und frische Brötchen!) war es Zeit, weiter nach Norden zu kommen. Wind und Regen im Canal Pitt, später schönstes Licht, Sonne und blauer Himmel wechselnd mit einzelnen Wolken hier und dort.
Nachts soll es wieder stark windig werden. Wir verziehen uns lieber in die Caleta Colibri. Ein schönes Plätzchen für eine ruhige Nacht. Und vielleicht hält der Name ja, was er verspricht ..?
Eine hübsche Bucht mit vielversprechendem Namen: Caleta Colibri, Canal Tres Corres
Nach dem langen, abwechslungsreichen Tag gestern war für die Nacht Wind angesagt, und so war mal wieder eine gute Caleta fällig. Die Caleta Villarica erwies sich als äußerst empfehlenswert.
Es geht los ein wenig wie mit Deception Island: Man fährt auf ein steiles Ufer zu, ein schmaler Eingang, Felsen im Wasser, steile Felswände auf den Seiten (hier deutlich grüner als in Deception), man schließt schon Wetten ab, ob das Schiff da überhaupt durch passt – und es passt. Dann öffnet sich eine schöne Bucht, so ein richtiges Piratennest. Wunderbar geeignet, um ein kleines Schiffchen sturmfest festzuzurren.
Passt das? Das passt! Einfahrt in die Caleta Villarica
Die Wanderwege sind, vorsichtig formuliert, nicht ganz barrierefrei. Im Grunde genommen hätten wir Macheten, Leitern und Seile gebraucht für eine kleine Tour, die bei freiem Gelände vielleicht 10 Minuten gedauert hätte. Indiana Jones hätte wahrscheinlich vorher aufgegeben, so dicht war der Urwald.
Der Blick hat es mal wieder gelohnt!
Indiana Jones hätte hier seine helle Freude: Dschungel in der Caleta Villarica
Der Kampf durchs Gestrüpp lohnt sich: Wunderschöner Blick auf die Caleta Villarica
Der Puerto Bueno machte seinem Namen alle Ehre und bescherte uns eine ruhige Nacht. Sehr angenehm. Zuerst können wir uns über wunderschöne Sonnenaufgangsfarben freuen und dann über die neue Wettervorhersage, die uns windtechnisch genügend Aufschub gab für den Besuch beim Amalia Gletscher.
Sonnenaufgang im „Guten Hafen“, Puerto Bueno
Sehr gut, darauf haben wir uns nämlich alle schon gefreut. Munter ging es unter Segeln auf das in der Ferne leuchtende Campo de hielo zu, das patagonische Inlandeis, und dann in Begleitung von Delfinen zum Gletscher. Eine schöne Gletscherfront am Ufer und dahinter ein wildzerklüfteter Gletscher, der bis hinauf zu den schnee- und eisbedeckten Bergen der Inlandeisregion führt. Wir haben Glück mit dem Wetter und gute Sicht. Wieder ein guter Tag!
Heute Nacht soll es windig werden. Wir haben Kurs auf eine kleine, geschützte Bucht gesetzt, wo wir davon nicht allzu viel mitbekommen sollten. Der Reichtum dieser Küstenlandschaft an solchen tollen Ankerbuchten ist wirklich beeindruckend und äußerst nützlich.
Zum Sattsehen: Die Gletscherfront des Amalia Gletschers
Nun sollte der heftige Wind doch wieder etwas nachgelassen haben, und das war in der Tat auch der Fall. Nicht, dass es gemütlich war, wieder unterwegs; immer noch fast 30 Knoten Wind auf die Nase von Schiff und Steuermensch und dazu eine Portion Regen. Patagonien eben.
Aber dann kamen andere Zeiten! Blauer Himmel und Sonne! Wetter- und Landschaftsgenuss auf dem Sonnendeck. Viele Meilen ging es nach Norden durch verchiedene schöne Wasserstraßen, Paso Victoria, der lange Canal Sarmiento … wie sie alle heißen mögen.
Strahlend-blauer Himmel über dem Canal Sarmiento
Zerbrochenes Land. Diese ganzen Kanäle, oft wie mit dem Lineal gezogen, folgen alten Störungen, also geologischen Brüchen. Parallel wie ein Stapel gefallener Dominosteine. Durch die Berge ziehen die Klüfte sich in gut sichtbaren Mustern. Die Vegetation wird etwas karger, vor allem auf den helleren, augenscheinlich aus Granit oder einem ähnlichen Kristallingestein bestehenden, runden Bergrücken.
Etwas zu denken gibt uns die neue Wettervorhersage für morgen. Wir haben auf dem Wunschzettel, den Amalia-Gletscher zu besuchen, einen Arm des patagonischen Inlandeises. Allerdings soll schon wieder heftig Wind kommen, und wir müssen schauen, wie das alles zusammenpasst. Mal sehen.
Zunächst fahren wir in eine kleine, feine Bucht, den „Puerto Bueno“, in der Hoffnung, dass der Name Programm ist.
Nach paar Stunden Fahrt nach Norden im Canal Smyth gab es gut 50 Knoten Wind auf die Nase. Nach kurzem Kreuzen mit kräftiger Schräglage, aber ohne nennenswertes Vorwärtskommen, gaben wir für heute auf und steuerten lieber eine schöne Bucht zum Ankern an. Auf den letzten Metern zur Ankerstelle wurden wir von Delfinen begleitet (wahrscheinlich Schwarzdelfine) und vor Ort dann von einem neugierigen Fischotter begrüßt. Sehr freundlich!
Ein Fischotter heißt uns vor der Peninsula Zach willkommen!
Freundlich auch, dass der Wind in der Bucht fast komplett weg war, von ein paar kleineren Böen abgesehen. Einen kräftigen Regenschauer haben wir noch abgewartet und sind dann losgezogen, um uns etwas umzuschauen. Schon der Name bürgt ja für Qualität! Die Peninsula Zach ist nach Wolfgang Zach benannt, seines Zeichens Schreinermeister in Longyearbyen und u.a. Hersteller der schönen Bilderrahmen aus Spitzbergen-Treibholz, von denen wir Ende letzten Jahres ein paar im Angebot hatten und von denen wir dieses Jahr auch wieder einige haben werden … also, vielversprechend! Wir waren gespannt, was die Peninsula Zach uns so bieten würde.
Die Halbinsel Zach ist ja beinahe eine Insel. Unsere Ankerbucht war von der nächsten Wasserstraße durch gerade einmal 200 Meter flachen Landes getrennt. Schon die indigenen Bewohner der Region sollen in früheren Zeiten ihre Rindenkanus hier über Land gezogen haben. Ein etwas feuchter Spaziergang von 10 Minuten, und man steht auf einem kleinen Hügel und schaut in beiden Richtungen aufs Wasser. Die Richtungen 2 und 4 werden von Bergen eingenommen. Alles in allem ein äußerst dekoratives Panorama!
Der kurze, feuchte Aufstieg lohnt sich: Blick von der Peninsula Zach
Die Wald- und Wiesenlandschaft in Meereshöhe war schon sehr sehenswert, aber wir haben noch etwas weiter geschaut. Der Blick aus etwas weiter erhöhter Perspektive war grandios. Im Hinterland tat sich ein weitläufiges Tal mit Seen, einem Fluss und großen Sumpfflächen auf, scheinwerferartig von der Sonne beschienen durch ein Wolkenloch.
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Danach wurde es wieder nass, und wir sahen zu, dass wir rechtzeitig zur Piet-Show (die allabendlichen Meisterleistungen von Koch Piet) wieder an Bord waren.
… ach, übrigens: Die Peninsula Zach ist nach Franz von Zach benannt, ein ungarischer Baron, der 1831-36 als Astronom die erste Reise der Beagle mit Fitzroy mitgemacht hat (Darwin war auf der zweiten Reise dabei).
Delfine begleiten uns bei unserer Einfahrt in die Bucht der Peninsula Zach
Pustekuchen mit gemütlich-ruhiger Nacht und so. Das funktioniert alles prima, solange der Wind aus der richtigen Richtung kommt und der Anker hält. Wenn der Anker nicht mehr hält, rückt das Ufer auf einmal deutlich schneller heran, als man das gerne hätte, und dann fängt man eilig an, zu frühester Stunde in der Dunkelheit die Uferleinen von den Bäumen zu Knoten und den Anker einzuholen. Irgendwann lag der Anker beziehungsweise lagen die beiden Anker dann inmitten der größeren Bucht und dann war’s wieder gut. Noch mal zurück in die Federn, für eine kurze Zeit.
Blick von der Isla Hose auf die patagonische Inselwelt
Ein windiger Tag, den wir lieber in der Bucht in der Isla Hose verbracht haben, gemütlich an Bord und mit einer kleinen Tour an Land, die für eine kleine Wandergruppe mit unkontrolliertem Motivationsüberschuss doch etwas länger wurde. Eine Tour de los montes auf der Isla Hose, mit allem Drum und Dran, Feuchtflächen, dichtes Gestrüpp und steile Hänge. Astrein!
1520 entdeckte Magellan auf seiner berühmten Reise, die zur ersten Weltumseglung überhaupt werden sollte, die Magellanstraße. Ein wesentlicher Vorteil für uns: Wir wissen, dass es sie gibt und wo sie ist und können uns daher ganz unkompliziert an der Passage des westlichen Teils erfreuen, was wir auch gerne tun, bevor es dort in den nächsten Tagen wieder windiger wird.
Eine weitere herrlich ruhige und einsame Bucht und: Sonne!
Nach etwa 30 Stunden Fahrt – also durch die Nacht hindurch – erreichten wir dann gestern Abend den Canal Smyth nördlich der Magellanstraße. Damit haben wir Feuerland hinter uns gelassen und sind nun in Patagonien (abzüglich Feuerland, je nachdem, wie man sich das so definiert). Mit dem letzten Tageslicht ging es wieder in eine dieser herrlichen Caletas, diese kleinen, feinen, gut geschützten Ankerbuchten, einst von Gletschern aus dem Fels geschnitzt, damit Segler es sich darin gemütlich machen können. Es ist immer ein wenig Krabbelei an den steilen, rutschigen Ufern, um die Uferleinen an knorrigen Bäumen zu befestigen, aber umso sicherer liegt das Boot dann (wobei wir trotzdem meistens eine Ankerwache haben).
Heute früh haben wir uns ein wenig umgeschaut, und dabei hat sich sage und schreibe die Sonne mal wieder die Ehre gegeben! Es ist ja nicht gerade ein Sonnenscheinland hier, schön bei fast jedem Wetter, aber dennoch ist es natürlich besonders schön, wenn die Sonne das Land in all seiner Pracht leuchten lässt. Der üppige Wald schillert in allen möglichen Grüntönen, das Wasser, der Himmel, die Wolken … zum Atem Anhalten schön. Inseln, Buchten, schmale Kanäle. Ein Patagonischer Eisvogel präsentiert sich, als würde er dafür bezahlt (Ringed Kingfisher auf Englisch, Kingfisher ist der Eisvogel. Megaceryle torquata und zu deutsch Rotbrustfischer, wer es genau wissen will. Ein Weibchen).
Fototermin mit einem Patagonischen Eisvogel, dem Rotbrustfischer
Später auf der Isla Hose haben wir noch Gelegenheit, durch die Botanik und auf die Hügel zu krabbeln, uns dabei etwas auszutoben und weitere schöne Aussichten zu genießen und jetzt freuen wir uns auf eine weitere, gemütlich-ruhige Nacht in einer netten Caleta, während sich draußen ein Sturm zusammenbrauen soll. Was uns hier drin nicht weiter stören sollte.
Galerie – Caleta Profundo – Isla Hose, 20. März 2018
Nach vielen ziemlich windigen und nassen Meilen erreichten wir gestern Puerto King. Dem Namen nach stellt man sich darunter einen königlichen Hafen vor, zumindest ein Fischerdorf, vielleicht mit einer netten Hafenkneipe … aber nein, es ist viel besser: Ein winziger, wunderschöner Naturhafen, genau unsere Kragenweite. Von drei Seiten von dichtem Urwald umgeben kann man da prima Uferleinen legen und das Schiff liegt bombensicher. Keine Ankerwache! Gute Sache, da sind sich alle einig.
Ein Spaziergang durch den dichten Regenwald wird zur spaßig-nassen Rutschpartie
Der Regen hält auch am nächsten Tag an, aber uns nicht ab, etwas loszuziehen und die Gegend zu erkunden. Nach dem vielen Regen der letzten Tage ist die Landschaft aufgesogen wie ein Schwamm: egal wo man hintritt oder -greift, überall quatscht und spritzt es. Hier darf man nicht wasserscheu sein, im Gegenteil sollte man die kindliche Freude am Wasser wieder entdecken, dann macht es Spaß! Dichter patagonischer Regenwald in Ufernähe, Stämme und Äste stehen und liegen überall, komplett mit Moos und Flechten bewachsen. Ein Chaos, kaum zu durchdringen.
Ein paar Meter oben weicht der Wald einer offeneren Landschaft aus von Bächen durchzogenen Feuchtwiesen und felsigen Hügeln. Die Felshügel sind teilweise steil und rutschig und die Bäche nach dem Regen kräftig angeschwollen. Man muss sich seinen Weg schon suchen, gar nicht immer so einfach.
Deutlich größer als unser Rotfuchs: der Pampasfuchs Lycalopex gymnocercus
Am Ufer angekommen, folgt uns sogar ein neugieriger patagonischer Fuchs noch für ein paar Meter! Erstaunlich groß sind sie, diese Graufüchse, viel größer als die bekannten „normalen“ Rotfüchse oder sogar die Eisfüchse weit im Norden. Da meint man zunächst für einen Moment, einen entlaufenden Schäferhund vor sich zu haben. Dabei ist der Graufuchs noch der kleinere von zwei hier vorkommenden Arten! Ob der Zorro gris (Lycalopex gymnocercus) wirklich Graufuchs heißt, wissen wir nicht, wir haben einfach den spanischen Namen übersetzt und meinen, damit für den Moment gut leben zu können.
Der Canal Ballenero, der Walfänger-Sund, steht nur stellvertretend für eine von vielen Wasserstraßen, durch die es heute ging. Canal O’Brien, Bahia Desolada … you name it. Ebenso unbekannte wie abenteuerlich klingende Namen.
Heute hieß es Meilen machen. Die Fahrt ist zwar 25 Tage lang, aber wir haben auch über 2000 Meilen zurückzulegen. Die ganze Zeit umgeben von schöner Landschaft. Das patagonische Wetter wurde seinem Ruf, nass und windig zu sein, über weite Strecken gerecht, aber es gab auch die schönen Momente mit Sonnenstrahlen und blauem Himmel in einer Landschaft, die einen gedanklich wahlweise nach Norwegen oder Grönland versetzt, ohne aber damit wirklich austauschbar zu sein – irgendwie ist und bleibt sie was eigenes.
Lichtspiele in Patagoniens Fjorden
Wieder einmal fällt der Anker in einer schönen Caleta, einem kleinen Naturhafen, bei deren Planung die Natur wohl schon an Segelschiffchen gedacht hatte. Die Uferleinen werden an ein paar windgepeitschten Bäumchen befestigt, und so haben wir trotz stürmischem Wind eine ruhige Nacht.
Schutz vor dem Wind in einer der vielen Caletas (Caleta=Naturhafen) Patagoniens
Galerie – Canal Ballenero bis Caleta Macias – 16. März 2018
Über Nacht hatte es wieder etwas aufgeklart. Ruhig und trocken war es heute früh, und das erste, was sich uns draußen bot, waren tolle Spiegelbilder auf dem ruhig um uns liegenden Fjord. Die Wolken hatten sich gehoben und den Blick auf die Cordillera Darwin freigegeben: eine schroffe, hochalpine Bergwelt, stark vergletschert, von der sich ein mächtiger Gletscherarm den Fjord herabwälzte.
Um den sollte es heute gehen.
Näher dran geht nicht: Gletscherarm der chilenischen Bergkette Cordillera Darwin
Eine etwas längere Zodiacfahrt brachte uns zum felshügeligen Ufer auf der Westseite des Gletschers. Welches übrigens schon ohne Gletscher einen Besuch wert gewesen wäre. Bucklig-glatt geschliffener Gneis, von zerscherten Basaltbändern durchsetzt. Das ist was fürs Auge!
Umso mehr der Gletscher selbst. Eine beeindruckende Abbruchkante und dahinter ein Gewirr aus Spalten und Türmen aus Eis, eingerahmt in der Höhe von einem wilden Alpenpanorama. Und darunter von – Wald! Das ist für mich doch sehr ungewöhnlich: entweder Gletscher oder Wald, man muss sich entscheiden. Hier aber kann man beides zusammen haben. Tatsächlich ist der Gletscher offensichtlich sogar in jüngerer Vergangenheit in den Wald hinein vorgestoßen; das Eis hat am Rand Felsblöcke vor sich hergeschoben, unter denen struppige Buchen liegen. Ja, das gibt es auch noch: vorstoßende Gletscher. Schade, dass es davon nicht mehr gibt.
Wald neben dem Gletscher – ein ungewohnter Anblick
Viel musste man gar nicht machen, man musste sich nur ein schönes Plätzchen suchen – davon gab es eine Menge – und den Blick auf den Gletscher richten. Ein ständiges Krachen, Rumpeln und Donnern, der Gletscher arbeitet permanent und immer wieder brechen Stücke ab und fallen ins Wasser. Sehr aktiv!
Ja, so gingen die Stunden schnell herum!
Nach einer kleinen Pause an Bord haben wir die schöne, kleine Tour von gestern noch mal gemacht. Weil sie so schön war. Und ohne Regen ist sie nicht schlechter.
Spalten und Türme aus Eis und Fels in der Caleta Beaulieu