Als südlichste Spitze von Südamerika ragt das legendäre Kap Hoorn auf 55°59′S/067°17′W in die Drake Passage hinein. Genau genommen ist es allerdings etwas schwierig mit dem Titel „südlichstes Ende von Südamerika“, denn das südliche Ende des Kontinents (geographisch gesehen, also die Küstenlinie des Festlands) liegt schon viel weiter nördlich, am Nordufer der Magellanstraße. Und wenn man die vorliegenden Insel hinzuzählt, was geologisch/naturkundlich die richtige Herangehensweise ist, dann stellt man fest, dass etwa 60 Seemeilen südwestlich vom berühmten Kap noch die winzigen Diego Ramírez Inseln im wilden Meer liegen, als südlichster Teil des südamerikanischen Kontinents über Wasser. Aber wer würde sich angesichts des mächtigen, berühmten, legendären Felsens davon stören lassen?
Entdeckt und benannt wurde Kap Hoorn wohl von dem niederländischen Seefahrer Willem Cornelisz Schouten, Kapitän des Schiffes Eendracht, das der Handelsgesellschaft Austraalse Compagnie aus dem niederländischen Ort Hoorn gehörte. Kapitän Schouten soll die gefährliche Klippe am 29. Januar 1616 erblickt haben und benannte sie zu Ehren des Heimatortes seiner Arbeitgeber. Erzählungen, das Kap mitsamt des dort gelegenen Seewegs zwischen Atlantik und Pazifik seien bereits 1578 von Francis Drake entdeckt worden, scheinen eine politisch motivierte englische Erfindung zu sein. So weit nach Süden war der berühmte Drake wahrscheinlich nie gekommen, aber hier sind die Details umstritten.
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Natürlich wird man nie genau wissen, welcher europäische Seefahrer nicht doch noch vom Sturm so weit nach Süden geblasen wurde. 1525 soll bereits der Spanier Francisco de Hoces in den Gewässern um Kap Hoorn gewesen sein, was den eher ungebräuchlichen spanischen Namen der Drake-Passage Mar de Hoces erklärt.
Die Drake-Passage an einem schönen Tag.
Dies alles hielt Drakes noch berühmteren Landsmann James Cook 1769 nicht davon ab, dem Meer zwischen Südamerika und der damals noch unbekannten Antarktis den Namen des Freibeuters Drake zu geben, und so versetzt Francis Drake noch heute Seefahrer und Antarktis-Touristen in Angst und Schrecken. Die Querung der Drake-Passage, 440 Seemeilen (ca. 815 Kilometer) breit zwischen Kap Hoorn und den Südshetland Inseln, ist tatsächlich immer wieder ein nicht ganz ungetrübtes Vergnügen, denn immer wieder kreisen mächtige Tiefdruckgebiete von West nach Ost um die Antarktis und kommen früher oder später unweigerlich durch die Drake-Passage. Es ist also ein kleines Lotteriespiel, aber tatsächlich ist die Drake-Passage oft deutlich weniger schlimm, als ihr Ruf befürchten lässt. Zwischen den Tiefdruckgebieten herrscht tagelang nur wenig wind oder zeitweise sogar Flaute, so dass die berüchtigten Wellenberge flacher werden. Die Drake-Passage kann so friedlich sein, dass man auf ihr Tretboot fahren könnte! Solche paradiesischen Zustände sind aber sicher nicht Alltag.
Die Drake-Passage an einem weniger schönen Tag.
Spaß beiseite: Je nach Schiff, Wetter und genauer Route dauert die am Anfang und Ende vieler Antarktis-Reisen stehende Querung der Drake-Passage 1,5-2 Tage. Dabei überquert man mit der Antarktischen Konvergenz eine wichtige ozeanographische Grenze: Dort stoßen kalte, antarktische Wassermassen auf wärmere aus dem Norden. Die Grenze dazwischen ist aber im Regelfall nicht sichtbar, tatsächlich handelt es sich auch um eine Übergangszone, die viele Meilen breit sein kann und ihre Position je nach Wind und Strömung kräftig von der Durchschnittsposition, die in den Karten verzeichnet ist, nach Süden oder Norden verlagern kann. Immerhin fällt aber deutlich auf, dass es im nördlichen Teil der Drake-Passage deutlich wärmer ist, was wohl kaum überraschen wird. Aber die Vorstellung, die Konvergenz sei sichtbar, ist eine Legende, wie auch die Behauptung, in der Drake-Passage wäre der Seegang immer hoch, weil die Wellen des Südozeans sich dort durch das Nadelöhr zwischen Südamerika und Antarktis zwängten – alles Quatsch, nach 2 Tagen ohne Wind gibt es auch in der Drake-Passage keine Wellen mehr, dann ist selbst die Dünung zurückgegangen wie auf jedem anderen Weltmeer auch.
Der bekannte Segler Henryk Wolski erzählt während der Querung der Drake-Passage die Abenteuer der alten Antarktis-Entdecker.
Der schlechte Ruf der Drake hängt damit zusammen, dass es dort historisch viel Schiffsverkehr gab: Die Route um das Kap herum war eine der großen Schifffahrtsrouten der Welt, bevor der Panama-Kanal gebaut wurde. Und gegen den vorherrschenden Wind, vom Atlantik in den Pazifik, und auf einem Rahsegler – das waren bis ins frühe 20. Jahrhundert die Frachter – ist das Kap Hoorn natürlich starker Tobak. Aber mit einer Wettervorhersage, mit genügend Zeit, um auch danach zu planen, und mit einem Motor ist das Kap gut machbar. Auch wenn man sich so natürlich nicht die Anerkennung der echten Kap Horniers verdient, aber das wird den meisten Landratten im Zweifel egal sein.
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Und bei gutem Wetter geht die Drake-Passage wirklich schnell vorbei: Die Lektoren halten Vorträge, und dazwischen kann man vom Deck aus nach Albatrossen und Delphinen Ausschau halten. Vielleicht gibt es im Schiffskino sogar den wirklich sehr sehenswerten Film „Around Cape Hoorn“, der aus Originalaufnahmen einer Fahrt des Frachtseglers Peking 1929 von Hamburg um das Kap Hoorn nach Chile besteht. Der Film stellt die Englischkenntnisse der Zuschauer auf die Probe, aber selbst wenn man nicht alles versteht, ist man angesichts der Aufnahmen froh, auf einem größeren Schiff unterwegs zu sein.
Und noch mal, weil es so schön ist: Das Kap Hoorn an einem schönen Tag, etwas näher.
Das Kap Hoorn bekommt man auf den meisten Antarktis-Reisen allerdings gar nicht zu sehen: Die direkte Route zwischen dem Beagle-Kanal und der Antarktischen Halbinsel beziehungsweise den Südshetland Inseln lässt das Kap gut 40 Seemeilen westlich der Route, zudem wird das Gebiet auf der Fahrt nach Süden nachts passiert. Nur wenn auf dem Rückweg brauchbares Wetter und ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, wird der Schlenker gemacht, um das berühmte Kap wenigstens zu sehen.
Kap Hoorn – 1/2 – Panorama des gesamten Kap Horn Archipels vom Schiff aus. Die auffällige Linie zwischen Land und Meer ist eine Luftspiegelung. Kein 360°-Panorama, funktioniert nur mit dem Flash-Player, auf mobilen Geräten zum Beispiel mit dem → Puffin-Browser.