Die Insel Peter I Island hat es geschafft, in Judith Schalanskys Atlas der abgelegenen Inseln (2006) den Ehrenplatz zu bekommen: die allerletzte Seite. Der Untertitel dieses Buches: Fünzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde trifft aus der Sicht praktisch der gesamten Menschheit auf kaum eine Insel besser zu als auf Peter I Island. Was sollte man auch da? Läge diese Insel dicht vor der Küste der Antarktischen Halbinsel, wäre sie eine von hunderten, und niemals käme jemals auf die Idee, sich für das so unzugängliche, steile, vergletscherte Inselchen zu interessieren. Weder landschaftlich noch in Bezug auf Tiere fällt sie irgendwie aus dem Rahmen: Nichts hat sie, was nicht unzählige andere Inseln rund um die Antarktis auch hätten, und zwar vielerorts mehr oder besser und fast immer besser zugänglich. Es ist also wirklich vor allem die Abgelegenheit, die die Peter I Insel so interessant macht.
Lage der Peter I Insel im Bellingshausen Meer, Antarktis.
Die nächste Küste ist also 420 Kilometer entfernt, und das ist die völlig unbewohnte und praktisch immer tief im Packeis steckende Küste von Ellsworth Land in der Westantarktis. Bis nach Südamerika sind es hingegen 1850 Kilometer – nicht bis in die Hafenkneipen von Punta Arenas, wohlgemerkt, sondern bis zum Kap Hoorn. Dagegen ist Ushuaia nicht „El fin del mundo“, wie sie dort behaupten, sondern kaum weniger Nabel der Welt als das Brandenburger Tor.
Peter I Island – 1/3 – Kein 360°-Panorama, funktioniert nur mit dem Flash-Player, auf mobilen Geräten zum Beispiel mit dem → Puffin-Browser.
Entsprechend kommt dort kaum niemand hin. Der deutsch-baltische Seefahrer Fabian Gottlieb von Bellingshausen hat Peter I Island am 21. Januar 1821 als erster gesehen (genau genommen natürlich nicht er selbst, sondern ein unbekanntes Mannschaftsmitglied) und sie nach Zar Peter I. von Russland (Peter der Große) benannt, obwohl er ihr wegen dichter Treibeisschollen wohl nicht näher kam als vielleicht 15 Seemeilen. Wahrscheinlich war Peter I Island das erste Land südlich des Südpolarkreises, das überhaupt entdeckt worden ist.
Kap Eva, die Nordspitze von Peter I Island. Blick nach Südosten.
Der erste Landgang gelang erst einer norwegischen Expedition von Nils Larsen und Ola Olstad am 02. Februar 1929, wobei die Insel natürlich gleich für Norwegen in Besitz genommen wurde. Auch eine kleine Hütte wurde gebaut, und später erneuert, wovon aber spätestens seit 1982 nichts mehr zu sehen ist. 1931 fügte Norwegen die „Peter I Øya“ formell dem eigenen Land hinzu, 1933 folgte der Status als „abhängiges Gebiet“ (norwegisch: biland), aber seit Inkrafttreten des auch von Norwegen unterschriebenen Antarktisvertrages (1961) gilt auch für Peter I Island, dass alle Besitzansprüche auf Eis liegen. 1987 verbrachten Wissenschaftlicher des norwegischen Polarinstituts einige Tage auf der Insel, und seitdem haben vielleicht 10-15 Schiffe mit Touristen den Weg dorthin gefunden. Wenn man annimmt, dass der Hälfte davon eine kurze Landung gelang, wird man wohl ungefähr richtig liegen. Peter I Island liegt fernab üblicher touristischer oder sonstiger Routen und wird nur auf Antarktis-Halbumrundungen von Südamerika nach Neuseeland angelaufen.
Mit 11 Kilometern maximaler Erstreckung in W-E Richtung und 19 Kilometer N-S bringt die Insel es immerhin auf eine Fläche von 156 Quadratkilometern und ist damit praktisch so groß wie der Hamburger Bezirk Bergedorf (154,8 km2). Sonst haben Bergedorf und Peter I Island aber wenig gemeinsam. Mit dem 1640 Meter hohen Lars Christensentoppen hat die fast völlig vergletscherte Insel Peter I auf jeden Fall eine beeindruckendere Landschaft als Hamburg, wo aber deutlich mehr Einwohner leben. Ständige Bewohner gibt es auf der Insel nur in Form einiger kleiner Seevogelkolonien (Silbersturmvögel und Buntfußsturmschwalben), wobei das steile, weitgehend vergletscherte Gelände der Tierwelt enge Grenzen setzt. Pinguine sind an den wenigen, kleinen Stellen zu finden (Adelie-/Kehlstreifpinguine), aber ob der Platz dort zum Brüten ausreicht? Eine kleine Kolonie soll es geben. Und Robben in größerer Zahl, vor allem Krabbenfresserrobben, Seeleoparden und einige See-Elefanten.
Geologisch besteht die Insel ausschließlich aus basaltischen Vulkangesteinen. Im Gipfelbereich lassen sich stellenweise noch soweit frische Vulkanformen erkennen, was auf vulkanische Aktivität in junger Vergangenheit hindeutet; für datierte Proben werden Alter zwischen 100.000 und 350.000 Jahren angegeben.
Die Küstenlinie besteht weitestgehend aus Gletscherfronten. Die wenigen unvergletscherten Küstenabschnitte ändern sich schnell durch Küstenerosion und Felsstürze. Es gibt nur sehr wenige Stellen, die potenziell für Landungen geeignet sind, beschränkt auf schmale Strände, die durch Steinschlag gefährdet sein können.
Dem Autor und Seiteninhaber gelang bei einem Besuch im Januar 2013 das untenstehende 360 Grad Panorama der Peter I Insel. Auch wenn es technisch alles andere als befriedigend ausgefallen ist – meine damalige Erfahrung mit der Technik reichte für das für die Panoramatechnik gar nicht so einfache Motiv bei weitem nicht aus – ist es das erste seiner Art von dieser Insel. Der Aufnahmestandort liegt auf den Gletschern unweit des Nordendes der Insel, südlich vom Kap Eva, in etwa 100 Metern Höhe. Die Landung erfolgte mit Hubschraubern.
Bulkeley, R. (2013). The early history of Peter I Island. Polar Record 50(02): 213-216. Historische Information zur Sichtung von Peter I Island durch Bellingshausen.
Headland, R. (2007). Changes at Peter I Øy. Polar Record 26: 204. Kurze Beschreibung von Küstenveränderungen bis 2006.
Schalansky, J. (2006). Atlas der abgelegenen Inseln. Fünzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde. Hamburg, mareverlag.