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Antarktis-Geschichte 3: die heroische Ära

Adri­en de Ger­la­che de Gome­ry

Nach jahr­zehn­te­lan­ger Pau­se, in denen kei­ne Expe­di­tio­nen von Ent­de­ckern oder Wis­sen­schaft­lern ant­ark­ti­sche Gewäs­ser besucht hat­ten, son­dern nur Wal­fän­ger und Rob­ben­schlä­ger, begann das berühm­te „heroi­sche Zeit­al­ter“ der Ant­ark­tis 1897 mit der Bel­gi­ca-Expe­di­ti­on von Adri­en de Ger­la­che de Gome­ry.

Adri­en de Ger­la­che, Orga­ni­sa­tor und Lei­ter der bel­gi­schen Bel­gi­ca-Expe­di­ti­on (1897-99).

Adrien de Gerlache

1895 hat­te der sechs­te inter­na­tio­na­le Geo­gra­phi­sche Kon­gress in Lon­don beschlos­sen, der Ant­ark­tis-For­schung als letz­ter gro­ßer noch aus­ste­hen­der geo­gra­phi­scher For­schungs­fra­ge von nun an beson­de­re Auf­merk­sam­keit zu wid­men. Zu die­ser Zeit war de Ger­la­che in Bel­gi­en mit sei­nen Vor­be­rei­tun­gen für eine Ant­ark­tis-Expe­di­ti­on bereits weit vor­an­ge­schrit­ten. Man­gels öffent­li­chem Inter­es­se hat­te er über Jah­re Schwie­rig­kei­ten mit der Finan­zie­rung gehabt, aber letzt­lich doch die Mit­tel auf­ge­trie­ben; der Geo­gra­phi­sche Kon­gress von 1895 mag König Leo­pold II., des­sen Inter­es­se vor allem Afri­ka galt, dazu bewo­gen haben, auch noch etwas bei­zu­steu­ern.

So konn­te de Ger­la­che bereits am 16. August 1897 mit der Bel­gi­ca Ant­wer­pen ver­las­sen. Das Schiff war ein nor­we­gi­scher Wal­fän­ger (ehe­mals Patric, 250 Ton­nen). Die Mann­schafts­lis­te liest sich wie ein „Who is who“ spä­te­rer Polar­ex­pe­di­tio­nen. Unter den 19 Män­nern an Bord waren:

  • Roald Amund­sen als ers­ter Steu­er­mann. Dies war Amund­sens ers­te Polar­ex­pe­di­ti­on, er war sei­ner­zeit noch völ­lig unbe­kannt. Spä­ter wur­de er bekann­ter­ma­ßen als erfolg­reichs­ter Polar-Ent­de­cker welt­be­rühmt.
  • Fre­de­rick Cook, Arzt. Jah­re spä­ter erhob der grön­lan­der­fah­re­ne Ame­ri­ka­ner Cook Anspruch auf die Ent­de­ckung des Nord­pols, unter­lag aber im öffent­li­chen Streit um die Glaub­wür­dig­keit sei­nem Lands­mann Peary. Cooks gro­ße Ver­diens­te wäh­rend der Bel­gi­ca-Expe­di­ti­on ste­hen jedoch über jedem Zwei­fel, ohne ihn wäre die Expe­di­ti­on mög­li­cher­wei­se eine Kata­stro­phe gewor­den. Neben­bei war Cook Foto­graf der Expe­di­ti­on und lie­fer­te dabei eini­ge der ers­ten Fotos aus der Ant­ark­tis.
  • Hen­ryk Arc­tow­sky war als Geo­lo­ge, Ozea­no­graph und Meteo­ro­lo­ge von Arbeits­ei­fer gera­de­zu beses­sen und lie­fer­te eine gewal­ti­ge Men­ge For­schungs­er­geb­nis­se aus der damals noch wis­sen­schaft­lich prak­tisch über­haupt nicht bear­bei­te­ten Ant­ark­tis. Arc­tow­sky wur­de zur Iko­ne der bis heu­te bemer­kens­wert akti­ven pol­ni­schen Polar­for­schung.
  • Emi­le Danco war der Magne­ti­ker der Expe­di­ti­on, bis er 1898 starb. Sein Name ist mit der Danco Coast und Danco Island pro­mi­nent auf der Land­kar­te der Ant­ark­ti­schen Halb­in­sel ver­ewigt.
  • Der Matro­se Carl-August Wien­cke kam eben­falls 1898 ums Leben, er wur­de bei einem Sturm von einer Wel­le über Bord geris­sen. Sein Name ist mit Wien­cke Island eben­falls pro­mi­nent auf der Land­kar­te der Ant­ark­ti­schen Halb­in­sel ver­ewigt: Jeder Ant­ark­tis-Tou­rist, der den Neu­may­er Chan­nel durch­fährt oder Port Lock­roy besucht, lässt sich von den spek­ta­ku­lä­ren Ber­gen von Wien­cke Island beein­dru­cken.

Nach lan­ger Anrei­se wur­de Anfang 1898 für eini­ge Wochen plan­mä­ßig die West­küs­te der Ant­ark­ti­schen Halb­in­sel im Bereich der Ger­la­che Strait erforscht. Damit war die Bel­gi­ca-Expe­di­ti­on maß­geb­lich an der Ent­de­ckung jener Regi­on betei­ligt, in der sich heu­te der größ­te Teil des Ant­ark­tis-Tou­ris­mus abspielt.

De Ger­la­che ord­ne­te dar­auf­hin die wei­te­re Fahrt Rich­tung Süden an, bis die Bel­gi­ca so tief im Eis steck­te, dass die Über­win­te­rung unver­meid­lich wur­de. Für eine Über­win­te­rung waren kei­ne Vor­be­rei­tun­gen getrof­fen wor­den, und selbst der uner­schro­cke­ne Amund­sen bezeich­ne­te den Aus­blick auf einen Win­ter in der Ant­ark­tis als „wahr­haft fürch­ter­lich“. Span­nun­gen erga­ben sich aus der Ver­mu­tung, de Ger­la­che habe die Über­win­te­rung heim­lich ange­strebt, zumin­dest aber das Risi­ko fahr­läs­sig in Kauf genom­men.

Die Bel­gi­ca trieb vom 02. März 1898 bis zum 14. März 1899 mit dem Pack­eis nach Wes­ten, über hun­der­te von Mei­len weit süd­lich von Peter I Island bis in die Amund­sen See. Wäh­rend die­ser Zeit, ein­schließ­lich einer son­nen­lo­sen Polar­nacht von 70 Tagen Dau­er, ver­schlech­ter­ten sich Gesund­heit und Moral der Mann­schaft. Der Arzt Fre­de­rick Cook erwies sich als uner­müd­li­cher Hel­fer in der Not und sorg­te mit gro­ßer Ener­gie und viel Dis­zi­plin dafür, dass Stim­mung und Kon­di­ti­on so erträg­lich wie mög­lich blie­ben. Einer sei­ner Genie­strei­che war es, die Offi­zie­re zum Ver­zehr von fri­schem Pin­gu­in- und Rob­ben­fleisch zu bewe­gen, so dass in der Fol­ge auch der skor­but­kran­ke, aber zunächst wider­wil­li­ge de Ger­la­che davon über­zeugt wer­den konn­te. Nur so ließ sich der Skor­but ver­mei­den, die Pla­ge der Polar­fah­rer jener Zeit. Dadurch erwarb Cook sich unter ande­rem den Respekt Roald Amund­sens, der über auch über Cooks spä­te­re Strei­tig­kei­ten mit Peary hin­weg Bestand hat­te. Tat­säch­lich hat­te de Ger­la­che eine sol­che Abnei­gung gegen das frisch tief­ge­kühl­te Fleisch aus loka­ler Pro­duk­ti­on, so dass er sogar ande­ren den Ver­zehr ver­bo­ten hat­te. Sobald er sich über­zeu­gen ließ, wur­den er und ande­re Skor­but­kran­ke schnell wie­der gesund.

de Gerlaches Schiff Belgica im Eis

De Ger­la­ches Schiff Bel­gi­ca in der Polar­nacht im Eis. Foto von Fre­de­rick Cook.

Am letz­ten Abend des Jah­res 1898, mit­ten im ant­ark­ti­schen Hoch­som­mer, war offe­nes Was­ser nur 640 Meter ent­fernt. Nach­dem alle wochen­lang mit ein paar Hand­sä­gen geschuf­tet hat­ten, um einen Kanal zum offe­nen Was­ser, bei dem es sich aber nur um eine klei­ne Flä­che han­del­te, zu schaf­fen, schob die Strö­mung die­sen Kanal zum all­ge­mei­nen Ent­set­zen wie­der zusam­men. Die Wir­kung auf die all­ge­mei­ne Stim­mung ist kaum vor­stell­bar. Allen war klar, dass die Über­le­bens­chan­cen im Fall einer zwei­ten Über­win­te­rung prak­tisch null waren. Schließ­lich gelang es end­gül­tig am 14. März 1899, die Bel­gi­ca aus dem Eis zu befrei­en, und am 05. Novem­ber lief das Schiff in Ant­wer­pen in den Hafen ein.

Trotz aller Schwie­rig­kei­ten war es gelun­gen, auf allen damals rele­van­ten Fel­dern der Natur­wis­sen­schaft eine gro­ße Men­ge neu­en Wis­sens zu sam­meln, wozu vor allem der Pole Hen­ryk Arc­tow­sky bei­getra­gen hat­te. Zudem war es die ers­te Über­win­te­rung süd­lich des Polar­krei­ses über­haupt, die den Umstän­den ent­spre­chend glimpf­lich abge­lau­fen war. Die dabei gesam­mel­ten Erfah­run­gen tru­gen stark dazu bei, Roald Amund­sen auf sei­ne spä­te­ren Erfol­ge vor­zu­be­rei­ten.

Letzte Änderung: 09. Januar 2015 · Copyright: Rolf Stange
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