Zwei Veteranen der Antarktis-Expeditionskreuzfahrten, die mittlerweile im Ruhestand sind: MV Professor Multanovskiy (vorn) und MV Grigoriy Mikheev.
Die Antarktis ist von allen Erdteilen mit Abstand am schwierigsten zugänglich. Individuelle Reisen dorthin sind fast unmöglich, wenn man nicht gerade in der Lage ist, über eine eigene, hochseetaugliche Segelyacht und weitgehend unbegrenzt über Zeit und Geld zu verfügen. Zur Not könnte auch ein eigenes Flugzeug reichen.
Da die meisten so etwas nicht haben, geht es hier vor allem um Schiffsreisen. Wenn der Gedanke an eine Antarktis-Reise konkreter wird, stößt man auf eine zunächst mitunter verwirrend erscheinende Anzahl von Angeboten. Der Überblick stellt sich aber ein, wenn man Routen und Schiffe zunächst in eine überschaubere Anzahl von Kategorien unterteilt. Sobald man sich für eine davon entschieden hat, kann man anfangen, innerhalb der Nische nach den Details der verschiedenen Möglichkeiten zu schauen.
Schiffe
Segelyacht (SY Pelagic) bei Port Lockroy, Antarktische Halbinsel.
Entscheidend für den Charakter einer Antarktis-Reise ist die Größe des Schiffes, genauer die Passagierkapazität. Vereinfacht gibt es folgende Möglichkeiten:
Segelyachten. Davon gibt es mittlerweile einige, die regelmäßig zur Antarktischen Halbinsel oder nach Südgeorgien fahren. Hier sollte man definitiv Segelerfahrung und ein Mindestmaß an Seefestigkeit mitbringen und einige Wochen Zeit, bekommt dann aber auch ein sehr individuelles, intensives Naturerlebnis mit Abenteuer- und Expeditionscharakter. Mit der Bark Europa fährt auch ein etwas größerer Traditionssegler regelmäßig in den tiefen Süden.
Bark Europa im Beagle-Kanal, Tierra del Fuego.
Expeditionskreuzfahrtschiffe mit maximal 500 Passagieren. Diese Schiffe bieten ihren Gästen mehr oder weniger tägliche Landgänge in der Antarktis an. Bis zu 100 Passagiere dürfen sich gleichzeitig an Land aufhalten; sind mehr an Bord, wird gruppenweise mit Schichtwechsel gearbeitet, so dass die Zeit an Land für den Einzelnen entsprechend kürzer ausfällt. Kleinere Schiffe bis um 100 Passagiere haben noch vergleichsweise „Expeditionscharakter“ mit legerer Atmosphäre ohne Kleiderordnung und oft einer jederzeit für alle zugänglichen Brücke, mitunter werden Aktivitäten wie Kayakfahren, Tauchen, eine Zeltübernachtung oder kleinere Bergtouren angeboten. Mit der Größe des Schiffes gewinnt meist das Programm an Bord als Schwerpunkt Gewicht, auch der Standard der Ausstattung des Schiffes mit Blick auf Kabinenkomfort, Qualität und Auswahl des Essens und Platz in sonstigen Räumlichkeiten an Bord steigen an.
Expeditionsschiff (MV Ortelius) in Gold Harbour, Südgeorgien.
Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 500 Passagieren bieten keine Landgänge an, sondern machen „cruise only“ Reisen, bei denen die Antarktis zur Kulisse für das ausschließlich an Bord stattfindende Programm wird.
Viele Antarktis-Reisende wollen einen hautnahen Eindruck von der antarktischen Natur, Landschaft und Tierwelt haben, daher erfreuen Schiffe mit weniger als 500 Passagieren sich einiger Beliebtheit. Reisen mit diesen Schiffen bilden den Schwerpunkt des Antarktis-Tourismus. Solche Expeditionskreuzfahrtschiffe fahren verschiedene Routen. Folgende Varianten haben sich herauskristallisiert:
Antarktis-Reiserouten
Klassische Kreuzfahrt zur Antarktischen Halbinsel. Diese Fahrt dauert üblicherweise um 11 Tage ab Abfahrt in einem Hafen in Südamerika, meistens Ushuaia im Süden Argentiniens, bis zur Rückkehr dorthin. Hafentage und jeweils etwa zwei Tage zur Querung der Drake-Passage am Anfang und Am Ende der Reise gehören dazu, so dass Sie effektiv 5-6 Tage in der Antarktis einschließlich der Südshetland Inseln verbringen. Diese Tage werden mit einer Reihe von Landgängen intensiv genutzt und bringen unvergessliche Eindrücke von der Antarktischen Halbinsel, die so ziemlich alles bietet, was die meisten Menschen sich unter Antarktis vorstellen: spektakuläre Berg- und Eislandschaften und Eisberge sowie viele Tiere wie Pinguine, Robben und gute Chancen auf Wale. Von Kaiserpinguinen abgesehen, bekommt man so ziemlich alle größeren antarktischen Tiere zu sehen, aber auf die Subantarktis beschränkte Arten wie Königs- und Goldschopfpinguine sind auf dieser Route natürlich nicht zu finden. Der geographische Schwerpunkt liegt auf der Westküste der Antarktischen Halbinsel.
Land und Leute auf der Antarktische Halbinsel:
Kehlstreifpinguine („Zügelpinguine“), Orne Island.
Von der klassischen Fahrtroute zur Antarktischen Halbinsel gibt es verschiedene Varianten, etwa mit Schwerpunkt auf dem Weddell-Meer, also der nördlichen Ostküste der Antarktischen Halbinsel mitsamt vorgelagerten Inseln, einem Abstecher zum Südpolarkreis oder Spezialfahrten zu einer Kaiserpinguinkolonie im Weddell-Meer früh zu Saisonbeginn, wobei mitunter Hubschrauber eingesetzt werden.
Formalitäten bei der Querung des Südpolarkreises.
Die „große Runde“: 3 Wochen zu den Falklandinseln, nach Südgeorgien und zur Antarktischen Halbinsel. Auf dieser Fahrt geht es zu den subantarktischen Tierparadisen, aber da diese fernab der Kontinente liegen und daher insgesamt etwa 3000 Seemeilen zurückzulegen sind, ist auch mehr Zeit fällig. Etwa die Hälfte der Reisezeit auf dem Schiff verbringen Sie auf See. Mit der Reisedauer steigt natürlich auch der Reisepreis kräftig an: Für den fälligen Betrag bekommt man auch ein durchaus anständiges Auto, das allerdings wahrscheinlich weniger lange hält als die Erinnerungen von einer solchen Reise. Die „große Runde“ bietet sicher den umfangreichsten Querschnitt durch die subantarktische und antarktische Tierwelt, den eine einzelne Reise aufweisen kann; die einzigen Arten, die man hier kaum sehen wird, sind Kaiserpinguine und die seltene Rossrobbe.
Land und Leute auf Südgeorgien: See-Elefanten, Gold Harbour.
Das Rossmeer: Dieser fernab der üblichen Routen gelegene Teil der Antarktis zieht eine kleine Zahl Antarktis-Touristen an, die meistens schon auf früheren Reisen die Antarktische Halbinsel bereist haben. Die Reisen beginnen und enden entweder in Neuseeland oder Australien oder sie werden als Antarktis-Halbumrundung von Südamerika nach Neuseeland oder zurück durchgeführt. Im Rossmeer ist es vorteilhaft, wenn das Schiff über Hubschrauber verfügt, damit abgelegene Orte wie Taylor Valley in den berühmten McMurdo Dry Valleys (Trockentäler) zugänglich werden. Wegen der langen Distanzen sind Fahrten ins Rossmeer aber sehr lang und entsprechend teuer.
Ohne Hubschrauber unerreichbar: Canada Glacier im Taylor Valley, eines der berühmten McMurdo Dry Valleys im Rossmeer.
Es gibt verschiedene Reisen, die teilweise oder ganz auf das Flugzeug setzen: Bei „Fly the Drake“ wird die berüchtigte Drake-Passage nicht mit dem Schiff, sondern mit dem Flugzeug gequert, was sicher bequemer ist, aber andererseits die Reise um einen wesentlichen Teil des Erlebnisses verkürzt und dennoch das Risiko birgt, bei schlechtem Wetter wertvolle Zeit zu verlieren, da auf dem Flugfeld auf King George Island (Südshetland Inseln) nur bei geeignetem Wetter gelandet werden kann. Es gibt auch reine Flugreisen mit kurzem Aufenthalt auf King George Island, eventuell mit Übernachtung dort, aber dann bekommt man von der Antarktis wirklich nur einen der ganz wenigen Bereiche zu sehen, den die wenigsten als schön bezeichnen würden, die mehr gesehen haben. Teure Spezialreisen gibt es für Bergsteiger, die den Mount Vinson besteigen wollen, den höchsten Berg der Antarktis, was eine umfangreiche Fluglogistik über das Patriot Hill Camp im Weddell-Meer erfordert, und wer will, kann auf diesem Weg auch eine Stippvisite am Südpol machen. Für den kurzen Aufenthalt dort ist allerdings ein Betrag fällig, für den man so einige Reisen zur Antarktischen Halbinsel machen könnte.
Drake-Passage: Sie gehört zur Antarktis dazu, aber die Querung kann sehr ungemütlich sein. Muss aber nicht.
Reisezeiten
Viel Schnee und Eis zu Saisonbeginn, Port Lockroy, Antarktische Halbinsel.
Der Antarktis-Tourismus ist stark saisonal geprägt und findet ausschließlich im Sommer statt, der zeitlich natürlich dem Winter der Nordhalbkugel entspricht. Hauptsaison ist von Ende November bis Mitte Februar, aber die ersten Reisen beginnen schon im Oktober und die letzten Schiffe halten bis weit in den März hinein oder sogar bis Anfang April aus.
In der zweiten Märzhälfte sind nicht mehr viele Pinguine an Land und der Schnee erscheint recht dreckig, da Schneealgen sich an der Oberfläche konzentrieren. Petermann Island, Antarktische Halbinsel.
Um es kurz zu machen: Alle möglichen Antarktis-Reisezeiten haben ihren speziellen Reiz, kein Teil der Saison ist von vornherein der beste oder ganz und gar nicht zu empfehlen. Wer ein breitgestreutes Interesse hat und möglichst von allem etwas sehen will, sollte zur Hauptsaison reisen. Früh in der Saison sieht man noch viel Eis und Schnee, was der Landschaft ihren besonderen Reiz verleiht, aber das Eis kann für den Reiseverlauf natürlich auch hinderlich sein. Ab Ende Dezember sind die Küken der Pinguine zu sehen, die dann schnell an Größe gewinnen und bald zu echten Stars und Publikumslieblingen jeder Antarktisreise in der zweiten Hälfte der Saison werden. In Südgeorgien sind zu Saisonbeginn, bis Anfang oder Mitte November, die beeindruckenden Seeelefanten am zahlreichsten und am aktivsten, dann kommen die Seebären (Pelzrobben) in so großer Zahl, dass manche Strände zeitweise unzugänglich sind. Das betrifft auch Prion Island, der einzige Ort in Südgeorgien, wo Normalsterbliche Wanderalbatrosse am Brutplatz beobachten können: Bis Anfang Januar ist Prion Island regelmäßig für Besucher gesperrt. Wer die Chance haben will, Wanderalbatrosse am Nest zu sehen – mehr als eine Chance ist es wetterbedingt ohnehin nicht – muss den Reisetermin entsprechend wählen und hat auf einem kleineren Schiff bessere Karten.
Wanderalbatros am Nest auf Prion Island, Südgeorgien. Prion Island darf erst in der zweiten Saisonhälfte (Beginn gegen Mitte Januar) betreten werden.
Wenn die Saison Richtung März fortschreitet, verlassen viele Pinguine die Brutkolonien. Nachzügler und mausernde Tiere sind bis in den April hinein zu sehen, aber der Eindruck des tobenden, antarktischen Lebens hat sich verflüchtigt, wenn nur noch mehr oder weniger vereinzelte Tiere zwischen den Kadavern ihrer Artgenossen stehen, die die Brutsaison nicht überlebt haben. Auch die nun schnell länger werdende nächtliche Dunkelheit, die in eisreichem Fahrwasser zu langsamer, vorsichtiger Fahrt zwingt, und das wachsende Sturmrisiko machen das Saisonende im März zu einer Zeit, die mit Grund nicht mehr Teil der Hauptsaison ist. Was nicht heißt, dass nicht auch im März noch wunderschöne Antarktis-Reisen möglich sind, und zur Randsaison mag das eine oder andere finanziell attraktive Sonderangebot locken. Letztlich hängt es vor allem vom Wetterglück, wie die Reise verläuft und in Erinnerung bleibt, und mehr oder weniger viel davon kann man zu jeder Zeit haben.
An- und Abreise
Die An- und Abreise erfolgt in den meisten Fällen mit dem Flugzeug: Ein Transatlantikflug nach Buenos Aires, gefolgt von einem Inlandsflug nach Ushuaia. Soweit, so trivial, aber ein paar Hinweise können sicher nicht schaden, vor allem für den Fall, dass Sie Ihre An- und Abreise individuell planen und nicht als Teil eines Reisepakets buchen.
Kosten Zeit und manchmal auch ein paar Nerven: Flughäfen in Buenos Aires und der Transfer dazwischen.
In Buenos Aires muss man fast immer von einem Flughafen zum anderen wechseln, was bei guten Verkehrsbedingungen mit dem Taxi etwa 50 Minuten dauert und bei Stau mitunter erheblich länger. Mit einer Übernachtung in Buenos Aires zwischen den Flügen ist man nicht nur auf der sicheren Seite, sondern gestaltet die Reise natürlich auch deutlich stressärmer und erlebnisreicher.
Spätestens in Ushuaia sollte man sich zwischen Flug und Einschiffen noch eine Übernachtung gönnen, um zeitlichen Puffer zu haben, falls die Flüge nicht so funktionieren wie geplant. Schiffe warten üblicherweise nicht auf verspätete Passagiere und schon gar nicht auf einen Koffer, der erst mit dem nächsten Flieger kommt.
Ähnliches gilt für die Rückreise. Meistens ist um 9 Uhr (Ortszeit) Ausschiffung, aber im Einzelfall kann es Verzögerungen geben, sei es wegen eines unerwartet heftigen Sturms in der Drake-Passage, weil es Engpässe im Lotsendienst gibt oder die Hafenbehörden sich mal wieder Zeit lassen. Das kommt zwar nicht oft vor, aber wer seinen Abflug von Ushuaia erst nachmittags oder am besten erst einen Tag später hat, nimmt eine eventuelle Verzögerung deutlich gelassener hin.
Siehe auch der Abschnitt zu Ushuaia und dem Beagle-Kanal.