Die Forscher können auf einen kontinuierlichen Datensatz von 38 Jahren zurückblicken, beginnend mit der Saison 1978/79. Vorher gab es nur sporadische Zählungen. Während die Populationen von Adélie- und Eselspinguinen regelmäßigen Schwankungen unterliegen, sinkt die Zahl der Zügelpinguine relativ stetig. Allerdings sind auch die Adéliekolonien im Abnehmen begriffen. Den Eselspinguinen geht es über die Jahre gesehen relativ gut, ihre Zahl steigt – ein Trend, der auch an der Antarktischen Halbinsel beobachtet wurde. Die Forscher erklären das gefundene Muster mit einem regem Austausch nistender Vögel zwischen den einzelnen Kolonien des Archipels.
Derzeit werden die Adélie-, Zügel- und Eselspinguinpopulationen auf den Südorkneys auf je etwa 200.000, 600.000 bzw. 5000–10.000 Brutpaare geschätzt.
Da man heute davon ausgeht, dass eine Populationsgrößenveränderung ein guter Indikator für Veränderungen im Ökosystem darstellt, wird eine Reihe krillfressender Arten, darunter die Bürstenschwanzpinguine, genauer erforscht. Die Organisation CCAMLR (Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis) nutzt diese Daten, um das marine Ökosystem zu beobachten und Fangquoten für die Fischerei festzulegen.
Alle drei Arten brüten gemeinsam auf Signy Island, einer kleinen Insel der Südorkney-Inseln. Während der Bruterfolg bei allen Arten über die Jahre ähnlich gut oder schlecht ausfällt, gab es am Ende des beobachteten Zeitraums 42 % weniger Adéliepinguine und 68 % weniger Zügelpinguine. Im gleichen Zeitraum nahm die ursprünglich viel kleinere Eselspinguinpopulation um 255 % zu! Historische Daten belegen einen komplett anderen Trend zwischen 1947 und 1978: Die Zahlen der ersten beiden Arten stiegen hier enorm an.
Die Populationsentwicklung scheint laut Aussagen einiger Wissenschaftler mit dem regionalen Rückgang des Meereises und der Erwärmung der Region im Zusammenhang zu stehen. Doch ganz so einfach machen es sich die Forscher der vorliegenden Studie nicht. Denn eisliebende Adélies und eismeidende Zügelpinguine unterliegen demselben Rückgang. Die Überlebensrate der jungen Pinguine im ersten Winter, der Zugang zu Krillschwärmen und der zahlenmäßige Anstieg von Seebären (oft auch Pelzrobben genannt) und Walen als Nahrungskonkurrenten in der Region scheinen ebenfalls eine große Rolle zu spielen. Allein zwischen 1977 und 1994 stieg die Zahl der Seebären auf Signy Island um das zehnfache.
Um die Hintergründe für den Rückgang der einen Art und den Erfolg der anderen genauer zu verstehen, müssen die Wissenschaftler die Dynamik des Systems noch eingehender erforschen. Dabei sind ihre Langzeitdaten der letzten Jahrzehnte und die Daten aus anderen Fachbereichen ein wichtiger Modellbaustein.
Kehlstreifpinguine bei den Südorkney-Inseln.
Viele Antarktis-Besucher haben die gastfreundliche ukrainische Station Vernadsky kennengelernt. Jetzt kann man die Vernadsky Station auf dieser Webseite virtuell besuchen: Es gibt nun eine komplette Panorama-Tour durch die Räumlichkeiten der Station, von ausgewählten wissenschaftlichen Arbeitsräumen bis zur berühmten Faraday-Bar. Hier klicken – Viel Spaß!
Im Nordwesten der Antarktischen Halbinsel liegen die Südshetland-Inseln. Hier häufen sich Forschungsstationen vieler Länder, weil einige der Inseln leicht erreichbar und zu geringen Teilen eisfrei sind. Auf diesen Inseln macht sich das wärmere Klima der letzten Jahrzehnte, was die gesamte Antarktische Halbinsel betrifft, besonders bemerkbar. Manch einer vergleicht das Sommerwetter der Südshetlands schon mit dem auf den Falkland-Inseln.
Die größte Insel in diesem Archipel ist King George Island, etwa 1000 km südlich von Kap Horn gelegen. Nur ein Zehntel der Insel ist frei von Eis und bietet ausreichend Raum für 24
Forschungsstationen und Schutzhütten von zwölf Nationen. Acht Stationen werden das ganze Jahr lang betrieben. Auch deutsche Forscher sind hier seit Jahren regelmäßig unterwegs. Auf King George Island tummeln sich vor allem viele Biologen. Die karge Pflanzenwelt wird beobachtet, Meer-Land-Nahrungsketten untersucht, marine Lebensräume studiert, aber nebenbei zählen die Forscher auch fleißig Vögel.
Polnische Forscher machen das schon seit fast 40 Jahren, seit ihre Station das erste Mal 1977 in Betrieb genommen wurde. 1981 wurde auf Ardley Island, einer kleinen Gezeiteninsel in der Maxwell Bay, zum ersten Mal ein Weißbürzelstrandläufer (Calidris fuscicollis) beobachtet, was allerdings nicht heißt, dass vor 1977 diese Art sich nie hierher verirrte, vorher gab es nur kein Beobachtungsprogramm. Seither tauchen im Sommer immer wieder kleine Gruppen oder einzelne Vögel in der Region auf. Über einen Beobachtungszeitraum von 30 Jahren konnten diese kleinen Watvögel zwölf Mal nachgewiesen werden. In acht Fällen waren die Frühsommer wärmer als gewöhnlich.
Weißbürzelstrandläufer sind, wie die bekannte Küstenseeschwalbe, Zugvögel der Superlative. Sie brüten in der arktischen Tundra Nordamerikas und ziehen innerhalb von einem Monat, fast ohne Pause, in großen Schwärmen, nach Süden. Bei Surinam biegen sie dann auf die Inlandroute ab und überqueren das brasilianische Amazonasgebiet, bevor sie im Oktober ihre Überwinterungsplätze in Argentinien und Chile erreichen. Die Rastlosesten unter ihnen fliegen weiter und überwintern in Feuerland oder auf den Falklandinseln. Warum einige Individuen sich für Inseln in den kalten antarktischen Gewässern, wie Südgeorgien, Südorkneys oder Südshetlands entscheiden verstehen die Forscher erst langsam.
Im Gegensatz zu anderen Regionen des Antarktischen Kontinents erfährt die Antarktische Halbinsel eine rasche, drastische Erwärmung. Messungen der durchschnittlichen Sommertemperaturen ergaben eine Erhöhung um zwei Grad, die Durchschnittstemperaturenfür den Winter liegen sogar 5-6 Grad höher als vor 50Jahren. Geringere Wintertemperaturen und das existierende Ozonloch sind dafür verantwortlich, dass die regelmäßig wiederkehrenden Westwind-Zyklone zwar weniger häufig, dafür aber um so stärker auftreten. Sie bringen warme, feuchte Meeresluft und ab und an eben auch gefiederte Irrgäste an die Küsten. Zusätzlich hat sich in den letzten vier Jahrzehnten die Saison mit Meereisbedeckung um etwa 90 Tage verkürzt. An der Antarktischen Halbinsel bildet sich das Meereis später und verschwindet zeitiger.
All das sind Vorraussetzungen für einen Faunen- und Florenwandel über die kommenden Jahrzehnte, speziell für die am nördlichsten gelegenen Ausläufer der Antarktis: die Südshetland-Inseln. Und so ist es kein Wunder, dass auch in diesem Januar, aufmerksame Guides und Touristen auf King George Island eine kleine GruppeWeißbürzelstrandläufer gesichtet hat. Einige wurden ruhig fressend im Schlamm eines kleinen Schmelzwassertümpels beobachtet. Andere pflegten ihr Gefieder und schienen keine Anzeichen von Nahrungsmangel aufzuweisen. (Stephen F. Bailey auf M/V Akademik Sergey Vavilov, in: IAATO-Newsletter)