Nach dem sonnig-stillen Tag kam das heutige Wetter patagonischen Realitäten doch deutlich näher: Wind und Regen, und zwar reichlich von beidem. Da war eine Stunde morgens erst mal genug, um sich die Füße zu vertreten. Strand, Wald, Feuchtwiese, Hügel, windgepeitschte Bäumchen, Blick auf Caleta.
Brazo Noroeste heißt nordwestlicher Arm, und gemeint ist der nordwestliche Arm des Beagle-Kanals, der sich hier verzweigt. Die Berge zu beiden Seiten des Sunds sind von früheren, mächtigen Vereisungen rundgeschliffen. Das Inlandeis der Darwin Cordillere, durch die wir jetzt fahren, schickt immer noch seine eisigen Arme an einigen Stellen zum Wasser herab. Nur waren die Blicke darauf etwas eingeschränkt durch das Grau von Wolken und Regen. Patagonische Normalität. Oder feuerländische Normalität, müsste man wohl sagen; Patagonien beginnt eigentlich erst nördlich der Magellanstraße.
In der Caleta Beaulieu fällt am späteren Nachmittag der Anker hinter einer felsigen, bewaldeten Halbinsel, die gut vor jeglichem Wind schützt. Trotz des immer noch strömenden Regens machen wir uns zu einer kleinen Tour auf, den Berghang hoch – und fühlen uns gleich wie Indiana Jones bei der Arbeit. Der Wald ist so dicht, dass es mühsam ist, sich hier durchzuzwängen. Und das Wasser spritzt aus allen Richtungen gleichzeitig. Herrlich! Man muss sich nur von dem Gedanken lösen, Natur wäre nur mit blauem Himmel darüber schön. Ist aber nicht so. Sie ist immer schön.
„Beagle-Kanal“ war schon öfter die Überschrift in diesem Blog. Bislang hieß das immer: Von Ushuaia zur Drake-Passage oder umgekehrt. Dieses Mal lief es anders.
Wie oft habe ich von Ushuaia nach Westen geschaut, die beeindruckenden Berge dort gesehen und nie ging es dorthin. Heute aber!
Bergkulisse im Beagle-Kanal
Zunächst Start in Puerto Williams. Auf den ersten Meilen gab es zahlreiche Schwarzbrauenalbatrosse und Kormorane, sogar ein paar Delfine ließen sich blicken. Vor Ushuaia begann schließlich die Sonne zu scheinen, und wie zum Abschied von bekannten Gewässern winkte uns noch ein Buckelwal mit der Fluke zu!
Der Rest des Tages? Ein landschaftlicher Traum aus Himmel und Meer, Inseln und Fjorden. Berge und Wolken spiegelten sich auf dem Wasser. Neue Inseln, neue Blicke, Meile für Meile. Zum Träumen schön.
Zu später Stunde fiel der Anker in der Caleta Olla (als Caleta bezeichnet man hier diese kleinen, süßen Ankerbuchten). Patagonischer Sternenhimmel, ohne jedes künstliche Licht in der Umgebung! Milchstraße, Magellansche Wolke, Kreuz des Südens. So schön, dass wir extra im Dunkeln noch mal an Land gefahren sind, um das Stativ aufzustellen. Tja, erstaunlich, wie schnell hier doch die Wolken aufziehen können … egal, trotzdem eine schönes Ende für einen schönen Tag.
Puerto Williams! Ich bin sicher schon über 80 Mal an Puerto Williams vorbeigefahren. Aber noch nie an Land. Zeit, dass sich das ändert! Der Ort ist vor allem ein 1953 gegründeter Marinestützpunkt und als solcher architektonisch jetzt nicht unbedingt eine Attraktion von Weltrang, aber mittlerweile hat sich auch ein wenig zivile Siedlung drumherum entwickelt, und überhaupt nimmt Puerto Williams ja für sich in Anspruch, die südlichste Stadt der Welt zu sein!
Klicken Sie auf die Bilder, um eine vergrößerte Darstellung des Bildes zu erhalten.
Das kann man sicher diskutieren und das Ergebnis wird vor allem davon abhängig sein, wie man „Stadt“ definiert. Bei Puerto Williams müsste man schon recht großzügig sein, um eine wie auch immer geartete Definition dieses Begriffes erfüllt zu sehen. Immerhin, es gibt ein paar Läden und kleine Restaurants (mindestens eines davon ist richtig gut, soviel wissen wir jetzt!), den Bug der Yelcho (das Schiff, mit dem Shackletons Leute von Elephant Island abgeholt wurden), einen Geldautomaten und ein äußerst charmantes Vereinshaus vom Yachtclub, auf einem auf Grund liegenden Schiff. Sehr schick!
Wir haben zunächst einmal eine „bürokratische Stadtführung“ gemacht. Das ist touristisch sicher eine eher ungewöhnliche Herangehensweise an einen neuen Ort und es ist auch nicht spannender, als es sich anhört. Aber wir mussten Schiff und Menschen offiziell nach Chile einreisen lassen und das ist mit einer ganze Menge Papierkram verbunden, verteilt auf verschiedene Adressen im Ort. Aber der ist ja nicht so groß.
Puerto Williams umgeben von dichten, düsteren patagonischen Bergregenwäldern. Malerisch! Ob es da auch Ents gibt? Ich bin geneigt, es zu glauben 🙂
Die Bilder mögen dem einen oder der anderen bekannt vorkommen. Kein Zufall, denn genau hier ging vor vier Wochen die Antarktis-Fahrt zu Ende, und wir haben uns hier von der Anne-Margaretha und ihrer Mannschaft verabschiedet. Und nun dürfen wir hier wieder an Bord! Same place … aber ansonsten wird hier gar nichts „the same“ sein. Nur die ersten Schritte entsprechen der Antarktis-Fahrt, der offizielle Abschied in Ushuaia, Pässe stempeln und so, das abendliche Auslaufen, Kurs nach Osten durch den Beagle-Kanal, aber dann … in ein paar Stunden werden wir in Puerto Williams anlegen, und das wird unsere südlichste Position! Danach wird es nach Norden gehen, durch die spannenden, wunderschönen Fjorde und Wasserstraßen von Südchile. Neues Land, neue Routen, neue Orte! Geil! Äh … doch, so kann man das sagen, das ist absolut angemessen. Wir sind gespannt!
Klicken Sie auf die Bilder, um eine vergrößerte Darstellung des Bildes zu erhalten.
Selbst die Chile- und Patagonien-Veteranen an Bord sind gespannt. Das ist so eine abgelegene, unzugängliche Gegend, dort sind viel weniger Menschen unterwegs als in der Antarktis. Auf weiter Strecke wird es menschenleer und einsam sein, wild und schön. Patagonien, das bedeutet für die meisten Torres del Paine, Perito Moreno und so. Klar, das sind die bekannten Aushängeschilder, ohne Frage sehr beeindruckende Orte, aber was vor uns liegt, ist auf ganz andere Art kein Stück weniger schön und beeindruckend. Aber eben menschenleer! Unbekanntes Land, zu dem es keine Reiseführer gibt, wo fast niemand unterwegs ist.