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Char­cot: Pour­quoi Pas? (1908-1910)

Jean-Bap­tis­te Char­cot: die Expe­di­ti­on mit der Pour­quoi Pas? (1908-1910)

Nach sei­ner ers­ten, letzt­lich erfolg­rei­chen Ent­de­ckungs­rei­se in die Ant­ark­tis mit der Fran­çais (1903-05) fiel es dem ohne­hin ver­mö­gen­den Char­cot deut­lich ein­fa­cher, die Mit­tel für eine wei­te­re Expe­di­ti­on auf­zu­trei­ben. Er konn­te eine grö­ße­re Drei­mast­bark mit 450 PS Dampf­ma­schi­ne bau­en las­sen, die er, sei­nem Kind­heits­traum ent­spre­chend, Pour­quoi Pas? („War­um nicht?“) nann­te.

Pourquoi Pas?, Frankreich

Char­cots Expe­di­ti­ons­schiff Pour­quoi Pas? ver­lässt Frank­reich, 15. August 1908.

Am 15. August 1908 ver­ließ die Pour­quoi Pas? Frank­reich. An Bord befan­den sich 22 Mann­schafts­mit­glie­der, von denen acht Cha­ra­cot bereits auf der Fran­çais beglei­tet hat­ten. Neben der nau­ti­schen Mann­schaft waren, neben dem Arzt und Bak­te­rio­lo­gen Char­cot selbst, wei­te­re sie­ben Wis­sen­schaft­ler mit von der Par­tie, was den Cha­rak­ter einer ernst­haf­ten Expe­di­ti­on unter­strich, die Wis­sen­schaft und Ent­de­ckung gewid­met sein soll­te. Somit befan­den sich 30 Expe­di­ti­ons­mit­glie­der an Bord. Dazu kam Char­cots zwei­te Frau Mar­gue­ri­te (sei­ne ers­te Frau, eine Enke­lin von Vic­tor Hugo, hat­te sich wäh­rend sei­ner ers­ten Ant­ark­tis-Expe­di­ti­on schei­den las­sen), die dar­auf bestan­den hat­te, ihren Mann so weit wie mög­lich zu beglei­ten. Sie blieb bis Pun­ta Are­nas an Bord. Dazu gab es auf der Pour­quoi Pas? drei Labors, eine Biblio­thek mit 3000 Bän­den, die der Wis­sen­schaft, der Bil­dung und der Unter­hal­tung die­nen soll­ten, und drei motor­ge­trie­be­ne Schlit­ten, die aber nur zu expe­ri­men­tel­len Zwe­cken ver­wen­det wor­den, mit wenig Erfolg.

Charcot auf Pourquoi Pas?, Frankreich

Char­cot auf der Pour­quoi Pas? kurz vor Abfahrt, 15. August 1908.

Über Rio de Janei­ro, Bue­nos Aires, wo Char­cot sein frü­he­res Schiff Fran­çais als Wrack auf einer Sand­bank lie­gen sah und und Pun­ta Are­nas, wo Madame Char­cot die Expe­di­ti­on ver­ließ, segel­te die Pour­quoi Pas? nach Süden und erreich­te Decep­ti­on Island am 22. Dezem­ber 1908. Auf Decep­ti­on waren chi­le­ni­sche und nor­we­gi­sche Wal­fän­ger, die Char­cot ger­ne will­kom­men hie­ßen, weil sie unter­des­sen kräf­tig von des­sen Kar­ten pro­fi­tiert hat­ten. Die Ver­mes­sun­gen wäh­rend der Expe­di­ti­on mit der Fran­çais hat­te ihnen neue, lukra­ti­ve Jagd­grün­de wei­ter süd­lich erschlos­sen, dar­un­ter Port Lock­roy als guten Natur­ha­fen. Am 25. Dezem­ber ver­ließ Char­cot Decep­ti­on Island und erreich­te schon vier Tage spä­ter sei­nen frü­he­ren Win­ter­ha­fen auf Booth Island.

Deception Island

Decep­ti­on Island mit Res­ten der Wal­fang­sta­ti­on (2015).

Schon am 01. Janu­ar 1909 befand die Pour­quoi Pas? sich süd­lich des Lemai­re Kanals, wo Char­cot bei einer Insel eine klei­ne Bucht ent­deck­te, die ein brauch­ba­rer Natur­ha­fen für eine neue Über­win­te­rung sein konn­te. Es han­del­te sich um Port Cir­cumcis­i­on auf Peter­mann Island.

Eine kur­ze Exkur­si­on im Ruder­boot zur nahe­ge­le­ge­nen Küs­te der Ant­ark­ti­schen Halb­in­sel bei Kap Tuxen hät­te fatal enden kön­nen: In der Annah­me, dass es nur ein kur­zer Aus­flug wer­den soll­te, hat­ten Char­cot und sei­ne zwei Beglei­ter kei­ner­lei Aus­rüs­tung für Not­fäl­le oder län­ge­re Auf­ent­hal­te mit­ge­nom­men. Plötz­lich ver­sperr­te her­an­trei­ben­des Eis die Rück­kehr. Mit dem Mut der Ver­zweif­lung ver­such­ten die drei Män­ner, sich mit dem Spa­ten einen Weg durch die Eis­schol­len zu bah­nen, der aber bald einer kal­ten Hand ent­glitt und in der Tie­fe ver­schwand, zum Ent­set­zen aller Anwe­sen­den. Drei sicher sehr lan­ge, kal­te Tage und Näch­te ver­gin­gen mit wei­te­ren Ver­su­chen, nach Peter­mann Island durch­zu­kom­men, bis es der Pour­quoi Pas? gelang, die Män­ner zu errei­chen.

Port Circumcision, Petermann Island

Port Cir­cumcis­i­on (Mit­te-links) auf Peter­mann Island. Die Ant­ark­ti­sche Halb­in­sel mit Kap Tuxen (rechts) im Hin­ter­grund.

Char­cot und sei­nen Leu­ten blieb wenig Zeit zur Erho­lung: Schon am nächs­ten Tag lief das Schiff bei Kap Tuxen hart auf eine Untie­fe auf. Trei­ben­de Plan­ken lie­ßen kei­nen Zwei­fel zu, dass der Scha­den erheb­lich sein muss­te. Nach dem Ent­la­den aller beweg­li­chen Ladung gelang es mit Hil­fe der kräf­ti­gen Maschi­ne aber, das Schiff von den Fel­sen zu zie­hen. Der Scha­den erwies sich als über­schau­bar, mit dem ein­tre­ten­den Was­ser wur­de die Pum­pe gut fer­tig.

Am 12. Janu­ar wur­de die Fahrt nach Süden fort­ge­setzt, um die Kar­tie­rung der dor­ti­gen Inseln und Gewäs­ser zu ver­voll­stän­di­gen. Am 15. Janu­ar ent­deck­te Char­cot süd­lich von der bereits von Bis­coe gesich­te­ten Insel Ade­lai­de Island eine wei­te Bucht und nann­te die­se nach sei­ner Frau Mar­gue­ri­te Bay. Auf Jen­ny Island, bei die­ser Gele­gen­heit nach der Frau von Char­cots Stell­ver­tre­ter Bong­rain benannt, wur­de eine Lan­dung gemacht, und bei gutem Wet­ter gelang es fast, Alex­an­der Island weit im Süden zu errei­chen.

Jenny Island

Jen­ny Island, Mar­gue­ri­te Bay.

Jenny Island

Der ein­zi­ge halb­wegs (!) zugäng­li­che Ufer­strei­fen auf Jen­ny Island.

Port Circumcision, Petermann Island

Res­te eines Stein­man­nes der Char­cot Expe­di­ti­on auf Jen­ny Island. Foto © Gerard Bodi­neau.

Zu sei­ner Ent­täu­schung gelang es Char­cot aber nicht, im Bereich der Mar­gue­ri­te Bay einen brauch­ba­ren Win­ter­ha­fen zu fin­den, so dass er sich am 30. Janu­ar gezwun­gen sah, nach Peter­mann Island zurück­zu­keh­ren, auch wenn die Über­win­te­rung dort nur 10 Mei­len süd­lich sei­ner ers­ten Über­win­te­rung statt­fin­den wür­de. Der Ein­gang zur Port Cir­cumcis­i­on, wo das Schiff für den Win­ter bereit­ge­macht wur­de, wur­de mit kräf­ti­gen Ket­ten vor trei­ben­den Eis­ber­gen gesi­chert, und auf der Insel bau­ten die Män­ner vier ver­schie­de­ne Hüt­ten für wis­sen­schaft­li­che Beob­ach­tun­gen, die alle vom Schiff aus mit Strom ver­sorgt wur­den.

Port Circumcision, Petermann Island

Res­te der Ver­an­ke­rung der Pour­quoi Pas? in Port Cir­cumcis­i­on, Peter­mann Island.

Port Circumcision, Petermann Island

Mar­kie­rung im Fels, wahr­schein­lich zur Mes­sung von Gezei­ten. Direkt ober­halb der Linie sind, kaum noch sicht­bar, die Buch­sta­ben PP für Pour­quoi Pas? in den Fels geritzt.

Port Circumcision, Petermann Island

Posi­ti­on der Flut­mar­ke auf der Nord­sei­te von Port Cir­cumcis­i­on, Peter­mann Island.

Mit­hil­fe der Biblio­thek, Zei­tun­gen des Vor­jah­res, die Char­cot Tag für Tag „ver­öf­fent­lich­te“, Lesun­gen und natür­lich der wis­sen­schaft­li­chen und all­täg­li­chen Arbeit ver­ging die Zeit ins­ge­samt schnell. Nur Char­cot selbst war gesund­heit­lich ange­schla­gen und konn­te nicht an einer 16-tägi­gen Rei­se zum Fest­land gegen Ende Sep­tem­ber teil­neh­men, mit der ein Zugang zum Lan­des­in­ne­ren gesucht wer­den soll­te, was aber letzt­lich nicht gelang.

Port Circumcision, Petermann Island

Denk­mal für die Über­win­te­rer von der Pour­quoi Pas? auf Peter­mann Island.

Port Circumcision, Petermann Island

Die Namen aller Über­win­te­rer von der Pour­quoi Pas? sind noch auf dem Denk­mal zu lesen.

Am 25. Novem­ber 1909 konn­te die Pour­quoi Pas? schließ­lich Peter­mann Island ver­las­sen und erreich­te bereits zwei Tage spä­ter wie­der Decep­ti­on Island zur Auf­fül­lung der Koh­le­vor­rä­te. Ein Tau­cher der Wal­fän­ger inspi­zier­te die Schä­den am Rumpf und riet Char­cot drin­gend, von wei­te­ren Fahr­ten abzu­se­hen, da selbst eine klei­ne, erneu­te Grund­be­rüh­rung das schnel­le Ende des Schif­fes bedeu­ten wür­de. Char­cot aber woll­te sich nicht noch ein­mal wegen eines beschä­dig­ten Schif­fes vor­zei­tig aus der Ant­ark­tis ver­zie­hen, behielt die­se Infor­ma­ti­on für sich und ver­ließ Decep­ti­on am 23. Dezem­ber. Das Ziel war nun das Wed­dell­meer, wo Char­cot in Hope Bay eine Fos­si­li­en­samm­lung mit­neh­men woll­te, die Gun­nar Anders­son wäh­rend Nor­denskjölds Expe­di­ti­on dort zurück­ge­las­sen hat­te. Zudem woll­te er sich den Wal­fän­gern erkennt­lich zei­gen und für die­se neue Anker­plät­ze in die­ser Regi­on erschlie­ßen. All die­se schö­nen Plä­ne wur­den aber von Eis ver­ei­telt, so dass die Expe­di­ti­on nach einem kur­zen Abste­cher nach Bridge­man Island und einer klei­nen Lan­dung dort – die ers­te auf die­sem Vul­kan­in­sel­chen – sowie einer Exkur­si­on nach Admi­ral­ty Bay bei King Geor­ge Island schon bald wie­der nach Decep­ti­on Island zurück­kehr­te.

Am 06. Janu­ar 1910 star­te­te Char­cot einen letz­ten Vor­stoß nach Süden. Um so schnell wie mög­lich so weit wie mög­lich zu kom­men, ließ er auf offe­nem Meer nach Süd­wes­ten steu­ern. Vor kräf­ti­gem Wind mach­te die Pour­quoi Pas? trotz schlech­ter Sicht gute Geschwin­dig­keit, und nach nur fünf Tagen befand die Expe­di­ti­on sich auf der Höhe von Alex­an­der Island. Zu sei­ner Über­ra­schung ent­deck­te Char­cot vom Krä­hen­nest aus Land im Wes­ten. Die neu ent­deck­te Insel wur­de Char­cot Island genannt; wie es hieß, auf Drän­gen der Mann­schaft und zu Ehren von Char­cots Vater und nicht nach ihm selbst. Natür­lich. Aller­dings gelang es nicht, Char­cot Island zu errei­chen. Damals war die Insel noch über einen Eis­schelf mit Alex­an­der Island ver­bun­den. Die­ser Eis­schelf soll­te aber spä­ter das Schick­sal vie­ler sei­ner Art­ge­nos­sen tei­len und kol­la­bier­te 2009, so dass man Char­cot Island nun mit dem Schiff umfah­ren könn­te – wenn man ein­mal in die­se abge­le­ge­ne Regi­on käme, west­lich von Alex­an­der Island auf 69°45’S.

Auf der Suche nach wei­te­rem Land sich­te­te Char­cot Peter I Island, die ers­te Sich­tung die­ser äußerst abge­le­ge­nen Insel nach ihrer Ent­de­ckung (Bel­lings­hau­sen, 1821) über­haupt. Am 22. Janu­ar 1910 war es Zeit, den Kurs wie­der nord­wärts zu set­zen. Eis blo­ckier­te die Wei­ter­fahrt nach Wes­ten, und die Mann­schaft war am Ende ihrer Kräf­te, so dass Char­cot sich gezwun­gen war, die Ent­de­ckungs­fahrt zu been­den, obwohl er über­zeugt war, dass Land in der Nähe sein muss­te. Am 11. Febru­ar 1910 erreich­te die Pour­quoi Pas? Pun­ta Are­nas und am 05. Juni war die Expe­di­ti­on wie­der in Frank­reich. Char­cot hat­te 1250 Mei­len unbe­kann­ter Küs­ten­li­nie ent­deckt und so gut wie mög­lich auf der Kar­te ein­ge­tra­gen. Trotz Beschä­di­gung des Schif­fes und Über­win­te­rung hat­te die Expe­di­ti­on kei­nen Mann ver­lo­ren, und die Ergeb­nis­se der wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten soll­ten ins­ge­samt 28 Bän­de fül­len. Die Pour­quoi Pas?, an der zunächst der Aus­tra­li­er Dou­glas Maw­son Inter­es­se gezeigt hat­te, ging in den Besitz der fran­zö­si­schen Regie­rung über; sie dien­te fort­an unter Char­cots Füh­rung als ozea­no­gra­phi­sches For­schungs­schiff. Wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges dien­te Char­cot in der Mari­ne, indem er „Q-Schif­fe“ kom­man­dier­te (U-Boot-Fal­len: als Han­dels­schif­fe getarn­te Kriegs­schif­fe, die deut­sche U-Boo­te zer­stö­ren soll­ten).

Die Ant­ark­tis-Expe­di­ti­on mit der Pour­quoi Pas? war die erfolg­reichs­te Rei­se des Ent­de­ckers Jean-Bap­tis­te Éti­en­ne Augus­te Char­cot. Zahl­rei­che wei­te­re Fahr­ten führ­ten ihn nach Jan May­en, Grön­land, Island und zu den Færøy­er Inseln. 1936 fuhr Char­cot wie­der nach Grön­land. Nach einer zunächst erfolg­rei­chen Rei­se lief die Pour­quoi Pas? am 15. Sep­tem­ber 1936 in einem hef­ti­gen Sturm auf die Küs­te im Süd­wes­ten von Island. Nur ein Mann über­leb­te. Er hat­te Char­cot ganz zum Schluss noch auf der Brü­cke gese­hen, wie die­ser sei­ne zah­me Möwe aus einem Käfig befrei­te.

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Letzte Änderung: 22. März 2016 · Copyright: Rolf Stange
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