Nein, wir haben den 28.1. nicht einfach verschlafen. Den gab es bei uns nicht. Datumsgrenze.
Besser als heute kann das Wetter nicht werden. Das ist die Gelegenheit für den längsten Hubschrauberflug der Reise, nämlich in die Dry Valleys. Die Ortelius liegt in New Harbour, auf der Westseite des McMurdo Sound, und drückt ihren Bug in die etliche Meilen weite Festeisdecke. Vor der Nase haben wir das Transantarktische Gebirge, diese unglaublich gewaltige Bergkette, ein grandioser Gipfel neben dem anderen, ich weiß nicht wie viele hunderte Kilometer lang vom Kap Adare bis über den Axel Heiberg Gletscher hinaus, über 80°S hinweg. Und mittendrin diese merkwürdigen Täler, wo es selbst den Gletschern zu trocken ist.
Heute haben die Piloten viel zu tun, fast 100 Menschen von der Ortelius bis zum Canada Glacier im Taylor Valley zu befördern. Nebenbei bemerkt, waren die letzten Besucher, von Wissenschaftlern abgesehen, soweit uns bekannt im Februar 2013 hier und kamen ebenfalls von der Ortelius. Es ist nicht gerade überlaufen im Taylor Valley.
Wie alles hier, so ist auch der Besuch in den Dry Valleys genauestens geregelt, es gibt nur eine kleine Besucherzone, wo wir überhaupt hin dürfen. Das ganze Tal ist ewig weite, uralte Moräne, ein buntes Freilichtmuseum der Regionalgeologie, weite Wüste. Ein kleines Schmelzwasserrinnsal läuft vom Gletscher in den natürlich gefrorenen Lake Fryxell. Vergeblich sucht man auch nur die geringste Spur von Leben, aber man müsste wohl ein Mikroskop dabeihaben, um etwas zu entdecken und würde wohl am ehesten in den kleinen Wasserläufen und Seen fündig werden, wobei man aber keine Forellen oder Lachse erwarten sollte, sondern anpassungsfähige Mikorooganismen. Dabei haben sich sogar mehrere Robben hierher verirrt, die aber hier, über 10 km von der Küste entfernt, feststellen mussten, dass es sich ohne Wasser auf Dauer nicht gut lebt. Der Zustand ihrer traurigen Überreste zeugt von heftigen Sandstürmen in dieser polaren Kältewüste.
Von den Robbenmumien und Gletschern abgesehen, kann man sich so wohl ungefähr den Mond vorstellen.
Das Leben tobt unterdessen an der Eiskante, wo andere mit Zodiacs unterwegs sind, der Tag ist ja lang und lässt Zeit für mehr. Mehrere Herden von Schwertwalen ziehen durch die Kanäle zwischen den großen Eisplatten, wo hier und dort Adeliepinguine in kleinen Grüppchen stehen, die wahrscheinlich sehr unentspannt die großen Rückenflossen verfolgen, die regelmäßig hier und dort auftauchen. Auch die Zodiacs erregen mehrfach die friedliche Neugier dieser beeindruckenden Räuber. Ein kleiner Spaziergang auf meterdicken, betonharten Eisschollen, den Mount Erebus immer im Blick, rundet den Tag ab.