Wir hatten gestern Abend noch einen Anlauf am Kap Royds gemacht, nur um festzustellen, dass Backdoor Bay, die dortige Anlandebucht, immer noch mit völlig unbrauchbarem Eis gefüllt ist. Und somit wurden heute zu früher Stunde wieder die Hubschrauber aus dem Hangar gezogen, und bald war der Luftbus-Schütteldienst (shuttle service) wieder in Betrieb.
Kap Royds liegt am Fuß des Mount Erebus, deutlich sichtbar vulkanisch geprägt, mit ein paar sehr auffälligen Granit-Findlingen. Eine schöne, etwas finstere Hügellandschaft, und der prächtige Anblick des Mount Erebus im Hintergrund blieb uns auch heute erhalten. Was sehr angemessen war, denn immerhin ging seine Erstbesteigung von hier aus, während der Expedition, welche die Hütte hinterließ, zu der wir jetzt unseren kleinen Pilgergang machen.
Die Nimrod-Expedition (1907-09) war Shackletons erste eigene Antarktis-Expedition und auf jeden Fall seine erfolgreichste. Beinahe hat er den Südpol erreicht, es waren keine hundert Meilen mehr, als er sich zur Umkehr gezwungen sah, „besser ein lebender Esel als ein toter Löwe“. Der Mount Erebus wurde, wie gesagt, erstmalig bestiegen, und der südliche Magnetpol erreicht, wovon James Clark Ross 1841 nur hatte träumen können.
Die Hütte ist kleiner und schlichter als Scotts verwinkelte Basis am Kap Evans. Konserven stehen in den Regalen. Alle Männer teilten sich einen großen Raum, nur The Boss himself hatte ein Winkelchen für sich, das er aber zeitweise an Kranke abtrat. Bei genauem Hinschauen findet sich sogar noch Shackletons Unterschrift auf einem Brett.
Wenige hundert Meter von der Nimrod-Hütte entfernt brüten Adeliepinguine, mehr oder weniger die südlichste Kolonie, die es überhaupt gibt. Wenn nicht die südlichste, wenn nicht am Kap Barne, ein Katzensprung von hier, nicht auch nur ein paar Nester sind.
Unser vorfrühstücklicher Ausflug dauert so lange, dass wir Kollegen es gerade noch zum Mittagessen an Bord schaffen. Zum Schluss dauert es immer lange, weil der letzte Hubschrauber immer erst dann auf dem Schiff landen kann, wenn der vorletzte zusammengefaltet und verstaut ist. Hubschrauberlogistik macht man nicht mal so schnell nebenbei. Heute hat sich aber wieder jede Minute gelohnt. Kollege Pinguinspezialist, nicht gerade ein Jünger der Polarhistorie, ist da ganz meiner Meinung. Auch ohne Shackleton-Hütte wäre Kap Royds einen Besuch wert.
Nach frühem Start und langem Morgen ist es nachmittags sehr ruhig an Bord, während wir den McMurdo-Sound verlassen und nach Norden fahren. Die wenigen Tage hier sind leider schon um, kurz war es, dafür umso schöner, sonnenverwöhnt. Meile um Meile über ruhiges, offenes Wasser, Ross Island im Blick, mit allen 3 großen Gipfeln gleichzeitig: Mount Terror, Mount Bird, Mount Erebus, dieses berühmte Trio aus gletscherbedeckten Vulkankegeln. Wie oft sieht man das so schön?