Do
22 Jan
2015
Eigentlich würde ein einziger Satz reichen: Wir haben eine Rossrobbe gesehen! Aber ein paar weitere Sätze sind vielleicht nötig, um zu erklären, warum das eine ähnliche Wirkung hat wie die Nachricht vom Lottogewinn.
Wer nach Spitzbergen fährt, will meist einen Eisbären sehen. Das ist einfach. Man muss schon gründlich seine Polar-Hausaufgaben gemacht haben, um zu sagen: ich will noch viel lieber das Thorshühnchen sehen, oder die Elfenbeinmöwe. Das tun eher die Arktis-Feinschmecker, die wirklich wissen, welches faunistische Gewürz aus der animalischen Suppe ein tierisches Erlebnis macht.
Das ist hier ganz ähnlich. Wer in die Antarktis fährt, will Pinguine sehen, das darf man sicher pauschal so sagen. Nun will ich sicher nicht die Begegnung etwa mit einem freundlichen Eselspinguin herabwürdigen, die schon so viele Antarktis-Reisende nachhaltig zum Lächeln gebracht haben. Oder der Albatros, von dem Robert Cushman Murphy sagt, die Sichtung eines solchen habe ihn zu einem anderen, gar höheren Menschen werden lassen („I now belong to the higher cult of mortals, for I have seen the albatross“). Man mag das für übertrieben haben, aber so kann man sich nach der Begegnung mit einem seltenen Tier tatsächlich fühlen.
Das seltenste Tier der Antarktis ist die Rossrobbe. Und nach Dutzenden von Antarktisreisen über 14 Jahre hinwg, einschließlich der Rossmeerfahrt vor 2 Jahren, habe ich heute meine erste Rossrobbe gesehen. Natürlich ging das so ziemlich allen an Bord so, die Kollegen mit eingeschlossen, und die sind ja schon weiß Gott wie lange hier unterwegs. Don, der Chef, war zum ersten Mal mit Mawson in der Antarktis, glaube ich. Muss wohl so sein. Dennoch hat diese Sichtung die Anzahl seiner Rossrobben-Erlebnisse verdoppelt.
Man schätzt, dass es von der Rossrobbe etwa 130000 Exemplare sind, ganz grob. Das ist nicht viel. Das ist sogar sehr wenig. Wenn man sich überlegt, über welche unendlichen Gebiete sich diese Bevölkerung einer Mittelstadt verteilt. Theoretisch kann man sie rund um die Antarktis finden, den Büchern zufolge sogar an der Küste der Antarktischen Halbinsel, aber davon habe ich noch nie etwas gehört. Das Rossmeer, das hört sich schon so nach Rossrobbe an, hier findet man sie, oder gar nicht. Dafür muss man wohl die lange Reise ins Rossmeer machen, um diesen Schatz zu finden. Und nachdem die Rossrobbe gestern achtern zurückblieb und alle strahlend an Deck standen, meinte mehr als einer, die Reise habe sich doch schon gelohnt. Nun, natürlich wollen wir noch mehr erleben in den nächsten Tagen, aber das ist schon ein sehr, sehr dicker Eintrag auf der Habenseite.
Übrigens, wir haben sowohl unseren ersten Kaiserpinguin als auch die Rossrobbe einem Passagier zu verdanken, Nick aus den Niederlanden, der Adleraugen und viel Ausdauer hat. (schon fast entschuldigend muss man ergänzen, dass wir Guides mit Vorbereitungen für die Hubschrauber-Trockenübung beschäftigt haben).
Von den antarktischen Robben ist die Rossrobbe die kleinste, und recht auffällig in ihrer Körperform mit dem unproportional kräftig wirkenden Hals, auch die Musterung des Fells ist eindeutig. Sie ist leicht zu erkennen, sobald man sie vernünftig im Fernglas hat. Als sie auf ihrer Eisscholle neben dem Schiff lag, brauchte man auch kein Fernglas mehr.