Mo
27 Feb
2017
Einmal quer über den McMurdo Sound liegt Ross Island. Und dort, am Fuß des berühmten Vulkans, Mount Erebus, liegt Cape Evans, wo Scott während seiner berühmten letzten Expedition mit der Terra Nova seine schöne Hütte bauen ließ.
Vom Mount Erebus ist nicht viel zu sehen, dessen mächtige Gestalt bleibt heute ein Rätsel der Wolken. Die kräftige Brise aus Süd stimmt uns etwas verhalten, aber immerhin liegt die Landestelle auf der Nordseite von Cape Evans. Ablandinger Wind ist immer gut, oder anders gesagt, weniger schlecht als auflandiger Wind.
Es war auch eine anstrengende Aktion, die Zodiacs startklar zu bekommen. Etwas skeptisch gestimmt, stiegen wir mit dem Guide-team ins erste Boot, um das Ufer aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Wobei das Ufer bei dem ablandigen Wind gar nicht das Problem war. Auch den meilenlangen Zodiacritt mit viel eisigem Spritzwasser und Tempraturen von gefühlt -300°C scheuen wir sicher nicht. Spannender war da schon der Übergang von der Gangway ins Zodiac. Nach einer Weile der Beobachtung vor Ort und der Zusicherung des Kapitäns, das Schiff so zu drehen, dass es uns an der Gangway Schutz vor Wind und Wellen geben würde, war für mich der Fall klar: Los geht’s – immer ein gutes Auge auf die Entwicklung von Wind und Wetter halten, die Gangway ständig beobachten, bei Bedarf jederzeit abbrechen, nicht zu viele Menschen gleichzeitig an Land mit dem Gedanken an eine schnelle Evakuierung im Fall, dass der Wind noch zunehmen würde. All diese Gedanken und noch so einige mehr gehen einem als Fahrtleiter in solchen Momenten durch den Kopf.
Bald stehen ganz andere Dinge an. Der magische Moment, die Tür zu Scotts Hütte zu öffnen und in die heiligen Hallen einzutreten, wo jedes Brett in den Wänden, jeder Becher im Regal und jedes Glas auf dem Labortisch noch den Geist von 1911 atmet.
Nach und nach steigen eisüberkrustete Gestalten aus den Zodiacs. Am Eingang werden Stiefel von Sand und Steinchen und Jacken von Eis und Schnee befreit, kleine Grüppchen betreten nach und nach die Hütte, während andere zum Kreuz ziehen, das zur Erinnerung an die Verschollenen von Shackletons Rossmeer-Gruppe (1914-17) auf dem Wind Vane Hill steht. Schließlich zirkulieren wieder Zodiacs, bringen Leute zurück zum Schiff, die sich teilweise bereits in einem Stadium hinreichender Abkühlung befinden, und holen neue, mit frischer Neugier auf den berühmten Ort.
Unterdessen befindet das Schiff sich in einer erfreulich nahen Position zum Ufer, so dass die windig-spritzige Zodiacfahrt mittlerweile deutlich überschaubarer geworden ist. Und der Wind lässt auch langsam nach. Die Spannung fällt ab, es läuft gut. Schließlich können wir die Hütte in aller Ruhe abschließen und zurückkehren. Nach Taylor Valley gestern waren wir nun mit Cape Evans bei einem weiteren der ganz großen Orte im Rossmeer erfolgreich. (Hier geht es zu einem virtuellen Besuch der Terra Nova Hütte am Cape Evans).
Galerie – Cape Evans – 27. Februar 2017
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Nicht weit entfernt vom Cape Evans liegt Cape Royds, es sind nur ein paar Meilen nach Norden. Auf der Fahrt dorthin habe ich aber schon gemischte Gefühle. Das Ufer dort ist nach Süden exponiert und wird voll im Wind stehen. Zudem ist die Bucht, wie sich bald zeigt, voll mit Eis. Keine Chance, an Land zu kommen, und die tiefen Wolken lassen jeden Gedanken an einen Einsatz der Hubschrauber im Keim ersticken. Für Cape Royds ist heute nicht der Tag, wir müssen uns mit einem Blick auf Shackletons Hütte von der Nimrod-Expedition aus der Ferne begnügen. (Hier kann man Shackletons Hütte am Cape Royds im 360-Grad-Rundumblick besuchen).
Aber das relativ frühzeitige Abziehen vom Cape Royds sollte uns einen der schönsten Abende der Fahrt bringen. Nach ein paar Stunden haben wir die Eiskante im inneren McMurdo Sund erreicht. Die Luft ist eisig kalt, aber hier ist es still und klar, der Abend bringt warme Farben in die kalte Atmosphäre. Neben dem Schiff ziehen sich die Eiskante und dahinter das massive Festeis viele Meilen weit in den Horizont, dahinter erheben sich der Vulkankegel des Mount Discovery und weiter rechts das Transantarktische Gebirge. Und im Wasser: Orkas, Orkas, Orkas. Oder, je nach Geschmack, Schwertwale, Schwertwale, Schwertwale. Überall steigen Blasfontänen in die Luft, ständig ziehen diese Unterwasserwölfe an uns vorbei. Auf der Eiskante stehen Adelie- und Kaiserpinguine. Mittendrin: wir. Der Abend bleibt als ein Höhepunkt in Erinnerung, wie überhaupt der ganze Tag.