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Jahres-Archiv: 2019 − News & Stories


Das Rät­sel der grü­nen Eis­ber­ge ist gelöst

Grü­ne Eis­ber­ge, auch Jade-Eis­berg genannt, sind sel­ten, aber es gibt sie. So sel­ten sind sie, dass ihre Exis­tenz mit­un­ter als See­mans­garn abge­tan wird. Es gibt sie aber tat­säch­lich, ich habe selbst mehr­fach wel­che gese­hen. Lei­der ist das lan­ge her, foto­gra­fisch gese­hen noch in mei­ner eher stein­zeit­li­chen Pha­se, so dass ich kei­ne Fotos habe, auf denen die grü­ne Far­be gut zur Gel­tung kommt.

Grüner Eisberg (Jade-Eisberg), Bransfield Strait

Grü­ner Eis­berg (Jade-Eis­berg) in der Brans­field Strait, März 2003. Foto­gra­fiert mit stein­zeit­li­cher Foto­tech­nik als Dia­po­si­tiv und spä­ter gescannt, daher ist von den schö­nen Far­ben des Ori­gi­nals lei­der wenig übrig.

Aber wenn man das sel­te­ne Glück hat, einen sol­chen Eis­berg zu erspä­hen, dann ist die grü­ne Far­be tat­säch­lich sehr auf­fäl­lig. Es ist nicht nur eine grün­li­che Vari­an­te des weit­hin bekann­ten Blau­tons, den vie­le Eis­ber­ge haben, even­tu­ell durch einen etwas ande­ren Licht­ein­fall bedingt. Es han­delt sich tat­säch­lich um einen völ­lig ande­ren Farb­ton.

Viel wur­de dar­über gerät­selt, was die Ursa­che für die grü­ne Far­be sein könn­te. Die gän­gigs­te Theo­rie war, dass es sich dabei um Meer­was­ser han­de­le, das an die Unter­seits eines Eis­schelfs ange­fro­ren sein könn­te. Also kein ter­res­tri­sches, gla­zi­ge­nes (von Glet­schern stam­men­des) Eis, son­dern gefro­re­nes Meer­was­ser. Für die Far­be soll­te der im Ein­zel­fall hohe Gehalt die­ses Was­sers an orga­ni­scher Sub­stanz ver­ant­wort­lich sein: ein­ge­fro­re­nes Phy­to­plank­ton, das dem Eis die spe­zi­el­le, grü­ne Far­be mit auf den Weg gibt.

Nun haben die Wis­sen­schaft­ler Ste­phen G. War­ren, Col­lin S. Roes­ler, Richard E. Brandt und Mark Cur­ran eine neue Theo­rie auf­ge­stellt und ihre Ergeb­nis­se in einem Arti­kel im Jour­nal of Geo­phy­si­cal Rese­arch: Oce­ans ver­öf­fent­licht. Dem­nach ist tat­säch­lich mari­nes Eis, also gefro­re­nes Meer­was­ser, für die spe­zi­el­le Far­be ver­ant­wort­lich.

Damit die­ses auf der Unter­sei­te eines Eis­schelfs, also in einer Tie­fe von meh­re­ren hun­dert Metern, am vom Land stam­men­den, auf­schwim­men­den Glet­scher­eis, das den Eis­schelf bil­det, fest­frie­ren kann, müs­sen bestimm­te Bedin­gun­gen gege­ben sein. Das Meer­was­ser muss unter­kühlt sein. In einer Tie­fe von bei­spiels­wei­se 2400 Metern friert das salz­hal­ti­ge Meer­was­ser erst bei -3,7°C. In die­ser Tie­fe hat etwa der Ame­ry Ice Shelf in der Ost­ant­ark­tis sei­ne Groun­ding Line, wo er also auf dem Mee­res­bo­den auf­liegt.

Grüner Eisberg (Jade-Eisberg), Südorkney Inseln

Grü­ner Eis­berg (Jade-Eis­berg) bei den Süd­ork­ney Inseln, Janu­ar 2009. Hier ist hat das mari­ne Eis sich in Spal­ten an der Basis des Eis­schelfs gebil­det, wodurch das grü­ne Eis in das blau­weiß erschei­nen­de, ter­res­tri­sche Glet­scher­eis ein­ge­ar­bei­tet erscheint.

Der Unter­schied zur älte­ren Theo­rie ist der, dass aller­dings nicht ein hoher Gehalt orga­ni­scher Sub­stanz für die spe­zi­el­le Far­be ver­ant­wort­lich ist, son­dern Eisen. Mes­sun­gen an einem Bohr­kern aus dem Ame­ry-Eis­schelf erga­ben für das mari­ne Eis an der Basis des Eis­schelfs kei­ne auf­fäl­lig hohen Kon­zen­tra­tio­nen orga­ni­scher Sub­stanz. Dafür war der Eisen­ge­halt höher als erwar­tet.

Das Eisen ist che­misch gebun­den als Teil des Ton­mi­ne­rals Goe­thit, das, wie die Autoren ver­mu­ten, pri­mär für die auf­fäl­li­ge Fär­bung ver­ant­wort­lich ist. Als Quel­le für das Goe­thit wird vom Glet­scher an der Basis ero­dier­tes Gestein ver­mu­tet.

Durch sei­ne opti­schen Eigen­schaf­ten neigt fein zer­rie­be­nes Goe­thit zu einer gelb­li­chen Fär­bung, die im Zusam­men­spiel mit dem dich­ten, blau­en mari­nen Eis an der Schelf­eis­ba­sis durch Über­la­ge­rung der Wir­kung der ver­schie­de­nen farb­re­le­van­ten Sub­stan­zen zu einer im Ergeb­nis grü­nen Fär­bung führt.

Kom­ple­xe Sache! So schluss­fol­gern auch die Autoren der Stu­die, dass noch wei­te­re Stu­di­en erfor­der­lich sind: zur genau­en Zusam­men­set­zung orga­ni­scher und anor­ga­ni­scher Bei­mi­schun­gen von mari­nem Eis und zu den opti­schen Eigen­schaf­ten die­ser Sub­stan­zen. Letzt­lich wür­den sich sol­che Erkennt­nis­se dazu ver­wen­den las­sen, um durch Fern­erkun­dung der Wel­len­län­gen des Lichts, das von Eis­ber­gen reflek­tiert wird, an Daten über deren che­mi­sche Zusam­men­set­zung zu kom­men.

Das wie­der­um wäre öko­lo­gisch durch­aus rele­vant: der Trans­port gro­ßer Men­gen von Eisen, che­misch in Mine­ra­len gebun­den, mit Eis­ber­gen in Mee­res­ge­bie­te im Süd­oze­an fern­ab der Küs­te, ist für die Dün­gung und somit das Algen­wachs­tum durch­aus bedeu­tend. So gewin­nen die „Jade-Eis­ber­ge“ über ihre schö­ne, sel­te­ne Far­be hin­aus für das Öko­sys­tem des Süd­oze­ans über­ra­schend an Bedeu­tung.

Das Volu­men des mari­nen Eises ist wahr­schein­lich deut­lich grö­ßer, als die Sel­ten­heit der grü­nen Eis­ber­ge nahe­legt. Nur klei­ne­re Eis­ber­ge, die sich dre­hen kön­nen und dadurch ihr Unters­tes nach oben keh­ren, kön­nen die grü­ne Far­be über­haupt zei­gen. Grö­ße­re Eis­ber­ge kön­nen sol­ches Eis in gro­ßen Men­gen trans­por­tie­ren, es bleibt aber unsicht­bar unter Was­ser. Und natür­lich muss das Licht stim­men, und dann muss man in der Nähe sein … bei wei­tem nicht jeder Eis­schelf pro­du­ziert die Jade-Eis­ber­ge in grö­ße­ren Men­gen, und der Ame­ry-Eis­schelf ist so abge­le­gen, dass dort kaum Men­schen hin­kom­men, von den For­schern der Sta­tio­nen Maw­son und Davis (bei­de Aus­tra­li­en) abge­se­hen.

Süd­ge­or­gi­ens Alba­tros­se lei­den wei­ter unter Fische­rei

Wer das Pri­vi­leg hat, Süd­ge­or­gi­en mit eige­nen Augen gese­hen zu haben, weiß, dass die Insel ein Tier­pa­ra­dies ist. Rob­ben, Pin­gui­ne und flie­gen­de See­vö­gel gibt es dort zu hun­dert­tau­sen­den, teil­wei­se in gewal­ti­gen Kolo­nien.

Und es hat gute Nach­rich­ten gege­ben zur Ent­wick­lung der Tier- und Umwelt Süd­ge­or­gi­ens. Zunächst wur­den bis 2014 die ab 1911 von nor­we­gi­schen Wal­fän­gern ein­ge­führ­ten Ren­tie­re aus­ge­rot­tet. Die Ren­tie­re waren dort mit bis zu 85 Exem­pla­ren pro Qua­drat­ki­lo­me­ter unter­wegs im Gegen­satz etwa zu 5/km2 auf Spitz­ber­gen. Mas­si­ve Schä­den an der öko­lo­gisch sehr wich­ti­gen Gras­ve­ge­ta­ti­on war die Fol­ge. Die Schä­den wur­den deut­lich, wenn man die von Ren­tie­ren besie­del­ten Tei­le Süd­ge­or­gi­ens mit ande­ren, ren­tier­frei­en Gegen­den auf der Insel ver­glich. Die Aus­rot­tungs­ak­ti­on, die teil­wei­se durch Ein­her­dung und Schlach­ten und teil­wei­se durch Abschuss im Gelän­de erfolg­te, wur­de dring­lich, weil der Rück­zug der Glet­scher es den Ren­tie­ren sonst abseh­bar ermög­licht hät­te, wei­te­re Tei­le Süd­ge­or­gi­ens zu besie­deln. Seit 2014 kann sich die Vege­ta­ti­on und damit auch die Vogel­welt auch dort erho­len, wo frü­her die Ren­tier­her­den durch das Tus­sock-Gras zogen.

Rentiere, Südgeorgien

Ein Anblick der Ver­gan­gen­heit: Ren­tie­re auf Süd­ge­or­gi­en (St. Andrews Bay, 2009).

Ein noch viel grö­ße­res und öko­lo­gisch bedeut­sa­me­res Pro­jekt war die Aus­rot­tung der Rat­ten. Die­se waren eben­falls mit den Wal­fän­gern nach Süd­ge­or­gi­en gekom­men und haben sich im 20. Jahr­hun­dert in wei­ten Tei­len der Insel aus­ge­brei­tet. Unter den boden­brü­ten­den Vögeln – und das sind prak­tisch alle Vögel, die dort brü­ten – haben die Rat­ten einen immensen Scha­den ange­rich­tet, indem sie Nes­ter geplün­dert haben. Sowohl Eier als auch Küken fie­len ihnen zum Opfer; selbst vor dem Nach­wuchs von Alba­tros­sen schreck­ten sie nicht zurück.

In einem mehr­jäh­ri­gen Kraft­akt hat der South Geor­gia Heri­ta­ge Trust Süd­ge­or­gi­en von Rat­ten befreit. Die Eva­lu­ie­rung ist noch nicht abge­schlos­sen, läuft aber bereits seit Jah­ren und bis­lang deu­tet alles dar­auf hin, dass das Pro­jekt erfolg­reich war. Das bedeu­tet einen gewal­ti­gen Schritt nach vorn für Süd­ge­or­gi­ens Vogel­welt. Fast aus­ge­rot­te­te Arten wie der Süd­ge­or­gi­en-Rie­sen­piper, die jahr­zehn­te­lang nur in klei­nen Popu­la­tio­nen auf vor­ge­la­ger­ten, rat­ten­frei­en Inseln über­lebt hat­ten, haben bereits wie­der wei­te Tei­le des süd­ge­or­gi­schen „Fest­lands“ besie­delt.

Die Erho­lung der Wal- und Rob­ben­be­stän­de nach der inten­si­ven Beja­gung der letz­ten Jahr­hun­der­te ist eine wei­te­re gute Nach­richt. See­bä­ren („Pelz­rob­ben“) tum­meln sich heu­te wie­der zu tau­sen­den an den Strän­den Süd­ge­or­gi­ens. Die Wale wer­den je nach Art noch Jahr­hun­der­te brau­chen, bis ihre Bestän­de wie­der vor­in­dus­tri­el­les Niveau errei­chen, aber die Ent­wick­lung ist immer­hin posi­tiv und für man­che Arten, etwa für Buckel­wa­le, sehr erfreu­lich.

Trotz all die­ser Erfol­ge ist bei wei­tem nicht alles im grü­nen Bereich. Seit vie­len Jah­ren sorgt der Bei­fang von See­vö­geln in der Fische­rei für einen Nie­der­gang vie­ler See­vo­gel­ar­ten, dar­un­ter iko­ni­sche Arten wie der Wan­der­al­ba­tros und des­sen nahe Ver­wand­te. Regio­nal hat es auch hier deut­li­che Ver­bes­se­run­gen gege­ben: So wur­de der unbe­ab­sich­tig­te Bei­fang von Vögeln in den Gewäs­sern um Süd­ge­or­gi­en durch gute Ver­wal­tung fast voll­stän­dig redu­ziert. Nur noch sel­ten gehen ein­zel­ne Exem­pla­re um Süd­ge­or­gi­en an den Lang­lei­nen an die Haken und ertrin­ken; für die Art­erhal­tung ist das kaum rele­vant.

Pro­ble­ma­tisch ist aber die weni­ger streng regu­lier­te und prak­tisch nicht über­wach­te, oft ille­ga­le Fische­rei auf hoher See, die kei­nem natio­na­len Recht unter­steht. Das ist wohl die Haupt­ur­sa­che dafür, dass meh­re­re Alba­tro­sar­ten auf Süd­ge­or­gi­en trotz stren­gem Schutz wei­ter­hin kräf­tig zurück­ge­hen, wie jün­ge­re Zäh­lun­gen bele­gen. Der Wan­der­al­ba­tros ist eine der bekann­tes­ten Cha­rak­ter­ar­ten für Süd­ge­or­gi­en, aber auch für Grau­kopf­al­ba­tros­se und Schwarz­brau­en­al­ba­tros­se gibt es dort Bestän­de von glo­ba­ler Bedeu­tung. Aber alle die­se Arten – und wahr­schein­lich auch ande­re – erlei­den wei­ter­hin emp­find­li­che Ver­lus­te. Dabei sind sie auf der IUCN-Lis­te der bedroh­ten Arten alle bereits mit ver­schie­de­nen Stu­fen der Gefähr­dung gelis­tet.

Wanderalbatros. Bird Island, Südgeorgien

Wan­der­al­ba­tros auf dem Nest auf Bird Island bei Süd­ge­or­gi­en.

Die Zahl der Wan­der­al­ba­tros­se ist von 2003/04 bis 2014/15 um 18 % zurück­ge­gan­gen, in abso­lu­ten Zah­len gespro­chen sind von 1553 zu Beginn die­ser Peri­ode regis­trier­ten Brut­paa­ren am Ende nur 1278 übrig gewe­sen. Die Ent­wick­lung der Schwarz­brau­en­al­ba­tros­se ist mit einem Rück­gang von 19 % sehr ähn­lich. Für die Grau­kopf­al­ba­tros­se steht es noch deut­lich dra­ma­ti­scher, hier liegt der Ver­lust gar bei dras­ti­schen 43 %.

Dabei setz­te der Rück­gang der Popu­la­tio­nen schon viel frü­her ein, auf jeden Fall seit den 1970 Jah­ren, als die For­schung begann, die Bestän­de zu über­wa­chen. Die heu­ti­gen Vor­kom­men der Alba­tros­se sind also nur noch ein Schat­ten der Kolo­nien, die es frü­her ein­mal gab, als Süd­ge­or­gi­en mit­samt dem umlie­gen­den Süd­oze­an tat­säch­lich noch unbe­rühr­te Wild­nis war. Pon­cet und ihre Co-Autoren gehen davon aus, dass trotz der regio­nal erfolg­rei­chen Regu­lie­rung nach wie vor Bei­fang in der Fische­rei die Haupt­be­dro­hung für die Alba­tros­se Süd­ge­or­gi­ens ist. Alba­tros­se legen auf ihren Wan­de­run­gen tau­sen­de von Mei­len zurück, ihre Streif­zü­ge kön­nen sie im Lau­fe ihres Lebens viel­fach rund um die Ant­ark­tis füh­ren. Regio­na­le Schutz­maß­nah­men wer­den daher kaum wirk­lich erfolg­reich sein kön­nen.

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News-Auflistung generiert am 19. März 2024 um 05:52:28 Uhr (GMT+1)
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