Der Lemaire Channel ist sicher eines der berühmtesten Stückchen Antarktis. Jeden Südsommer fahren dort tausende von Touristen hindurch und erfreuen sich an der grandiosen Landschaft. Links die Antarktischen Halbinsel, rechts Booth Island. Beiderseits wilde Berge, fast 1000 m hoch, und beeindruckende Gletscher, die einem fast auf den Kopf zu fallen scheinen. Das hat schon den Belgier de Gerlache und den seinerzeit noch jungen und unbekannten Roald Amundsen beeindruckt, Anfang 1898 war das. Die Passage ist nur wenige 100 m breit, aus der Distanz scheint es gar keinen Durchlass zu geben, und tatsächlich ist das Fahrwasser gelegentlich von Treibeis versperrt. Heute ließen die Eisberge reichlich offenes Wasser. Krabbenfresserrobben und Seeleoparden schauen zu, wie die Ortelius sich ihren Weg sucht.
Die meisten Schiffe fahren auf einer Reise zweimal hindurch, nämlich auf dem Rückweg. Wir fahren aber nicht zurück, sondern immer weiter. Unser Halt bei Petermann Island markiert sonst oft den Umkehrpunkt, für uns ist das eine Wegmarke auf der Route nach Süden. Entgegen aller Befürchtungen ist die Landestelle in der kleinen, felsigen Bucht nicht von den großen Mengen treibender Gletschereisstücke blockiert. Mir fällt die erfreuliche Aufgabe zu, das südliche Ende der Insel zu bewachen, wo sich aber niemand hin verirrt. Nun, die Hauptattraktion für die meisten sind sicher die Adeliepinguine, eine im Rahmen dieser Fahrt neue Art, und die sind nun einmal am gegenüberliegenden Ende der Insel, ein paar hundert Meter entfernt. So verbringe ich eine angenehme Weile auf einem Stein sitzend, der wie eine kleine Insel in einem Meer von Schnee liegt, und leiste einer Kolonie von Eselspinguinen Gesellschaft, die munter damit beschäftigt sind, sich gegense itig Steine vom Nest zu klauen und ihren Nachwuchs zu füttern. Sie brüten um ein Holzkreuz herum, das an 3 britische Wissenschaftler erinnert, die hier in der Nähe im Treibeis verschwunden sind. Ob sie mit einer Eisscholle abgetrieben oder durch dünnes Eis gebrochen sind, weiß vermutlich kein Mensch. Aber sogar die Pinguine scheinen sich vor dem Kreuz zu verneigen.
Hier erreichen die Eselspinguine ihre südliche Verbreitungsgrenze. Im der antarktischen Umgangssprache wird dieser relativ milde Küstenstreifen der Antarktischen Halbinsel zwischen 64 und 65 Grad Süd mitunter tatsächlich als „Bananenküste“ der Antarktis bezeichnet. Mild sieht es hier gar nicht aus, überall Schnee und Eis. Es fühlt sich heute auch nur deshalb mild an, weil das Wetter gut ist.
Mild oder wild, wir lassen diese Küste hinter uns und nehmen Kurs auf kältere Gefilde.
Paradise Bay (eigentlich: Paradise Harbour) gehört zu den Klassikern der Antarktischen Halbinsel, ein echter Publikumsliebling. Hier kulminiert die grandiose Küstenlandschaft der Antarktis. Steile, dunkle Felswände erheben sich fast 1000 m in die Wolken, und dazwischen schieben sich wild zerklüftete Gletscher zum Meer hinab und produzieren eindrücklich donnernd eine gewaltige Menge von Eisbergen. Das Ganze ergänzt mit einer gemütlich auf Eis schlafenden Weddell-Robbe und einem kurz vorbeiziehenden Zwergwal, und ein fast dreistündiger Zodiac-Ausflug geht vorbei, bevor man überhaupt merkt, wie lange man tatsächlich schon unterwegs war.
Weiter Richtung Lemaire Channel und Petermann Island. Bis vor 2 Tagen war der Lemaire Channel von Eis blockiert, wird sind gespannt, ob wir nun hindurchkommen werden.